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Karl Ernst Knodt
Neue
Gedichte . 1. Auflage 1902
Abendstimmung im Herbst
Fühlst du den Heimwehhauch des Herbstes nicht?
Nicht wie er alles Leben leise löst?
Das Meiste ging schon müd zur grossen Ruh,
Und was noch glänzt, das glänzt im letzten Licht.
In ruhigem Rot reift mein verfärbter Wald;
In seinen Tiefen hängt das Sonnengold
Die letzten zarten Sommerträume auf:
Wie Schleier schweben sie um jeden Baum.
Hoch oben leuchtet ganz in Gold gemalt
Das leise Land, und jede Wolke steht
Wie eine eigne Farbenwunderwelt
In die durchsichtige leichte Luft gebaut.
Mein naher Berg steigt in den Horizont
Als wär er aller Erdenschwere los.
So löst sich meine Seele auch vom Lärm
Des lauten Lebens. Diese Ruhe wirkt.
Erlöst ist Herz und Hirn von jeder Hast.
Die Sehnsucht spannt die weiten Flügel aus
Und möchte heim.
Der Herbst hat Heimwehhauch.
Karl
Ernst Knodt . 1856 - 1917
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