Eine Juniwoche

Eine kurze Sommerwoche
Spiegelte ein ganzes Leben
Mir in wechselvollem Bild.

Heiter stieg am ersten Tage,
Wie am ersten Erdenmorgen,
Die beseelte Sonne auf.
Golden war der Tag, voll Leuchten,
Gleich dem reinen Kindesherzen,
Recht ein Tag im Paradies.

Darnach kam ein Tag der Stürme,
Jagend fuhren wilde Wolken
Wie der Jugend tolles Wünschen
An dem hohen Himmel hin -
Wunderliche Traumgebilde,
Wechselnde, des Truges voll.

Doch sie lösten sich ohnmächtig
Rasch in reichen Regen auf,
Trost der Thränen sanft verströmend,
Erdgeruch und wonniges Wachstum
Auf der weiten Welt verbreitend.
Siegerin blieb die junge Sonne. -
Nach dem Sturm kam eine Stille,
Die viel schöner noch die Blumen
Und die Früchte voller schuf.

Aber schon am nächsten Morgen,
Nach der Nacht nur kurzer Sterne,
Kam ein stärkster Sturm gezogen,
Uebers Meer in grimmem Wüten,
Blitz und Donner scharf versendend,
Und dazwischen schweren Hagel
Auf die satten Felder schleudernd.

Also fährt verhängtes Schicksal
Aus der Zeiten dunklem Schosse
Unabwendbar auf dich nieder,
Schwaches, starkes Dulderherz"
Und du fühlst, dass Leben - Leiden.
Händeringend stehst du, kniest du
An dem Grab der liebsten Liebe,
Das zwei Herzen grausam deckt.

Und wie lange noch die Nachwehn
Wilder Wetter fühlbar währen,
Also weinen lang, ein ganzes
Leben lang die wachen Wunden,
Bis des Friedens Hand sie heilt.

Endlich an dem letzten Tage
Meiner wechselvollen Woche
Brach nach einem milden Regen
Beim Geläut der Abendglocke
Die versöhnte Sonne durch,
Eines Regenbogens Brücke
Ueber allen Wolken wölbend.
... Friedevoll wie dieses Leuchten
Sei einmal mein Feierabend;
Und darnach seis - ewiger Sonntag!


  Karl Ernst Knodt . 1856 - 1917

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