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Karl Ernst Knodt
Neue
Gedichte . 1. Auflage 1902
Das Gesicht der Einsamkeit
Auch die Einsamkeit hat ihr Gesicht -:
Wers noch nicht erschaut, der ahnt es nicht.
Streng sind ihre Züge, ernst wie einer Toten.
Ihre Blicke sind beredte Boten
Der verschwiegenen Ewigkeit,
Der vertrauten Schwester aller Einsamkeit.
Wo sich Erd und Himmel zart berühren,
Sind der Ewigkeit verborgene Thüren.
Grüner Wald und braune Haide:
Liebste Freunde sind ihr beide,
Und ins stille Kämmerlein
Tritt sie flinken Fusses ein.
Wenn die Einsamkeit die Flügel breitet
Und in Sehnsucht ihre Seele weitet,
Tritt die Gottheit durch die offne Pforte
Und verkündet ewigen Lebens Worte.
Wie verklärt strahlt das Gesicht der Einsamkeit:
Zu des Himmels Vorhof fühlt sie sich geweiht.
Karl
Ernst Knodt . 1856 - 1917
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