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Karl Ernst Knodt
Neue
Gedichte . 1. Auflage 1902
Ein Traum der neuen Erde
Ein schwerer Traum hielt mich zur Nacht.
Ich sah die Zeichen später Zeit:
Der ganze Himmel stand in Pracht
Des Widerscheins der Ewigkeit.
Am Firmament aufflammte hell
Ein Wetterleuchten rot wie Blut.
Wie standen alle Sterne hell
Im Glanze einer letzten Glut.
... Der Aufbruch war's des Weltgericht's
- Und mit dem Taubenflug des Licht's
Umringt von starken Engelschaaren
So kam der Herr zur Welt gefahren
Auf Wolken wundersamen Glanzes
Im Diadem des Dornenkranzes.
... Das war ein Aufruhr und ein Stürmen!
Ein Donnern ging von Stern zu Stern,
Ein Schrei der Not zu Gott dem Herrn.
Die Glocken fingen von den Türmen
Den Weltbrand zu verkünden an.
Aufstand, der starke Ocean
Wild wälzend seine trüben Wasser,
Der Elemente grimmster Hasser.
Und Sterne zischten in die Flut -
Dazu der Feinde Wahn und Wut,
Die sich in rasendem Erregen
Stellten dem Weltenherrn entgegen.
O Tag des Zorn's! O schwerer Tag!
Wer deine Schrecken schildern mag
Der muss in Blut die Feder tauchen ...
Wie stumme Opferstätten rauchen
Die Trümmer der zerstörten Erde,
Aufhorchend nach dem neuen "Werde!"
Schon hält der Herr die Heilandshand
Ueber die blutende Welt gespannt
- Da hör ich zarte Geisterschwingen
Durch den beruhigten Aether klingen:
Die Seelen sind's der Leid-Erlösten,
Die der Verklärung sich getrösten,
Und die der Heiland "überkleidet",
Eh' er die künft'ge Welt bereitet, -
Die mit Ihm auf der neuen Erden
Durch "tausend Jahre" herrschen werden.
In solche Wunderwelt versunken,
Hab' neuen Glauben ich getrunken,
Den Glauben einer Ueberwelt,
Der meiner Flügel Sehnsucht schwellt.
... Dass ich ein Kind der neuen Erde
In wachsender Vollendung werde,
Das soll des Traums Ertrag mir sein:
O Heiland, mach mich sündenrein!
Karl
Ernst Knodt . 1856 - 1917
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