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Karl Ernst Knodt
Von
Sehnsucht, Schönheit, Wahrheit . 1. Auflage 1910
Deutsches Gebet
Geist, wenn Du einen Künftigen uns erwecken wolltest,
Des Finger uns die neue Zukunft webten,
Den heil'gen Frühling, den bislang wir nicht erlebten,
So daß Du uns schon manchmal grolltest, -
Weil wir für Deine Stimme kein Gehör bekundet -:
Ich glaubte fest, daß noch Dein Volk gesundet.
Dein Volk, an dem Du, Gott, so Großes
Getan! - Wem ist des Völkerloses
Wechselnder Würfel gleich gefallen?
Hoch leuchtet aus den Völkern allen
Des Deutschen sondres Haupt hervor.
Im ganzen großen Völkerchor
Schreitet der Deutsche auf eigensten Wegen
Dem höchsten Menschheitsbild entgegen.
Welch Volk bestaunt so große Sterne,
Wie sie seit nebelgrauer Ferne
Bis heute deutsches Land bestrahlen?
Wer kann die Glut der größten malen?
Welch' wunderbare Morgenröte
Erschien in Luther, Schiller, Goethe!
Wie hat sich in Beethovens Art
Der deutsche Genius offenbart!
Wer zählt sie alle die Propheten,
Die - bis zu Bismarck - kühn getreten
Entgegen fremdem, frechem Geist?
An welches Volk verschenkte Gottes Güte
Zugleich ein Kindes- und ein Mannsgemüte?
Deutsch ist das Wunderwörtlein "minnig".
Wer, wie der Deutsche, kann so innig
Zu seinem Gott und Vater beten?
Drum half auch Gott aus allen Nöten!
Wer sang aus allertiefster Not
Den Sang: "Ein feste Burg ist Gott?"
Und tönt im Geist des deutschen Bach
Nicht jede volle Orgel nach?
Wo sich noch heut' aus solchem Geist
Des deutschen Volkes Seele speist,
Da fühlt sie Mut, da spürt sie Mark,
Da ist der Deutsche groß und stark.
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Geist, wenn Du wieder einen Mann erwecken wirst
Als künft'gen Führer, send' uns einen Fürst
Des Geistes, der als einz'ger Mann
Den Geist von Luther, Goethe, Bismarck in sich einen kann,
Der als ein Künstler und Prophet und Held
Zum Ziele führt den Deutschen und die Welt!
Karl
Ernst Knodt . 1856 - 1917
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