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Karl Ernst Knodt
Von
Sehnsucht, Schönheit, Wahrheit . 1. Auflage 1910
Und Heimweh hat das Herz durch jeden Tag
Und Heimweh hat das Herz zu jeder Zeit,
Im Herbst und Lenz, - wie Einer, der zur Nacht
Als später Mann an seinem Heimatdorf
Vorübersaust, das er als Kind durchging,
Und das er, gleich dem Paradies, verlor.
Nun steigt Erinnrung zu ihm in den Zug,
Und seine ganze Jugend steigt mit ein,
Sehnsucht und Seele weckend, wie der Wind,
Der von den stillen Sternen erdwärts weht.
Er sieht die Giebelgasse und das Haus,
Wo seine Eltern einst gelebt. Er sieht
Die Lampe auf dem Tisch, das große Buch,
Darin die Mutter abends immer las,
Und sieht die Linde und das Grab und Kreuz,
Darunter so viel Liebe lang schon schläft.
Er hört die nahen Sonntagsglocken gehn.
Er hört den Brunnen plätschern in dem Hof.
Vom Garten strömt wie eine Welle her
Der Duft der Rosen und des Fliederstrauchs,
Und eine erste Liebe wandelt auf
Dem Duft und zieht wie dieser rasch vorbei.
Und rasch zieht auch der Zug der Ferne zu,
Der Stadt, der hastenden, die, ach! dem Dorf so weit.
Und Heimweh hegt das Herz durch Nacht und Tag,
Und einmal möcht' es ganz zuhause sein,
Sei's auch als stillgewordnes - in dem Grab
Des Dorfkirchhofs, der alles Leben wahrt
Und die Erinn'rung hütet wie ein Heiligtum.
Karl
Ernst Knodt . 1856 - 1917
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