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Karl Ernst Knodt
Von
Sehnsucht, Schönheit, Wahrheit . 1. Auflage 1910
Wenn nur nicht diese Nächte wären!
Es ist so grabesstill im Haus.
Mein Weib und Kind sind weitverreist
Und lassen mich in meiner Welt,
In meinem Winterwald allein.
Wohl sind die Tage kirchenstill.
Der Morgen hochgestimmt zum Werk
Der Ewigkeit, gestimmt zum Lied.
Fällt gar das weiße Winterlicht
Mir auf den Tisch, wird mir die Kunst
Ein Priesteramt an alle Welt.
Gedanken fliegen, gleich Flocken des Schnee's,
Zu tausenden mir ins Zimmer herein;
Wie Englein schweben sie um mich her,
Kinder, die tanzen; Kinder, die beten,
Kinder, die weinen und müde sind,
Weil ich nicht alle auf Händen tragen,
Oder nur sitzen heißen kann.
Viele legen sich still in die Ecken,
Kommen wohl erst zur Dämmerzeit
- Wenn alles schweigt
Und nur noch geigt
Die surrende Kesselmelodie -
Hervor, und setzen sich mir aufs Knie,
Oder steigen mir bis zum Mund herauf,
Bis an das Ohr, ganz leise flüsternd:
"Vater! wir wollen gehätschelt sein!
Vater! sing' uns in süßen Schlummer!"
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Wenn nur nachher die Nächte nicht kämen,
Oh! diese einsamen, toten Nächte,
Wo ich, wenn alle Gedanken geborgen
Und alle Kinder zur Ruhe sind,
Mutterseelenallein im Haus,
Fern von allem lebendigen Leben,
Allein mit meinem liebenden Herzen,
Einzig besucht von meinen Toten.
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Wenn nur die langen Nächte nicht wären,
Oh! diese einsamen, toten Nächte!
Karl
Ernst Knodt . 1856 - 1917
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