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Karl Ernst Knodt
Von
Sehnsucht, Schönheit, Wahrheit . 1. Auflage 1910
Wer's könnte!
Wer in sich graben könnte
Das Tiefgeheimste ans Licht!
Trägt jeder doch von uns späten
Von Tausenden das Gesicht,
Ja von Millionen Eltern
Das Leben in seiner Brust!
Oh! wär' ich mir jedes Tropfens
Vom Blut meiner Ahnen bewußt,
- Der verschiedenen Männer und Frauen,
Der Götter, der Tiere, die all'
In dem neuen Erdner die Stimmen
Erheben mit eigenem Schall;
Die alle sich mit dem Leben,
Der hundertgesichtigen Sphinx,
Ein jedes in eigenem Streben,
Gemüht von rechts und von links;
Die, jedes in eigener Weise,
Das Leben durchweint und durchlacht,
Im Leichtsinn die Tage durchschliefen,
Oder grübelnd die Nächte durchwacht;
Die der Sphinx ins Antlitz gespieen,
Oder sie glühend umarmt,
Die zu Gott in Sehnsucht geschrieen,
Bis Er sich ihrer erbarmt;
Die im Staube noch Sterne suchten,
Bis sie ein Lichtlein erschaut,
Oder im Wahnsinn Gott fluchten,
Daß es sie selber gegraut.- - - - -
Und dies alles soll in mir leben?
Und all dies lebt bunt in mir?
Und keins kann mir Antwort geben,
Ob Gott gesiegt, oder das Tier?
Und dies alles wirkt in mir weiter,
Und all dies wirkt durch mich fort,
Und ich steh' auf der obersten Leiter
Und seh' nicht den Ausgang, den Port,
Darin die Sehnsüchte münden
Nach Klarheit über mein Bild,-
Ich seh' nur den Strom von Sünden
Sich wälzen zum Meere wild...
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Wohl dem, der sich in sich findet!
Wohl dem, der sich findet heraus
Und für sich ein Ziel ergründet
Und weiß seinen Weg nach Haus!
Karl
Ernst Knodt . 1856 - 1917
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