Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Schlußsteine
162 Bücher



Hermann von Lingg
Schlußsteine . 1. Auflage 1878



Anmerkungen

Wenn zu denken wir beginnen,
Scheint die Welt uns räthselhaft,
Wenn wir aber tiefer sinnen,
Ahnen wir was von der Kraft,
Die unendlich wirkt und schafft.



Bitter ist ein schnöd' Verbot,
Bitt'rer unschuldig leiden,
Bitter ist die Noth,
Bitt'rer noch das Scheiden,
Am bittersten der Tod.



Das bloße Recht, das wahre Wort
Sind nur ein stumpfes Schwert,
Wer nicht mit List, nicht mit Gewalt verfährt,
Kommt in der Welt nicht fort.



Ein schönes Gedicht
Und ein hübsches Gesicht,
Die haben leider
Die allermeisten Neider.



Mein Freund ist heut ein Blatt Papier, erhellt
Vom Licht der Lampe, meinem treuen Wächter:
Des Dichters Heimat ist die weite Welt,
Sein Umgang sind die kommenden Geschlechter.



Des Geistes Siege sind nicht wie die rohen
Der Faust, sie nehmen nie,
Sie geben, und zum Reinen, Hohen
Erheben den Besiegten sie.



Ueber keiner Höhe ruht
Immer unumwölkt der Aether,
Und es neigt sich früher oder später
Jeder Ruhm und jeden Glückes Gut.

Aber wahrer Werth entringt,
Wie ein Stern durch Wolken dringt,
Immer wieder sich den Schatten,
Die sein Licht verdunkelt hatten.



Alles unser Thun beschreibt
Seinen Zirkel auf der Welle,
Die mit uns hinuntertreibt
In der Zeiten Schnelle.



Sie drehen den Mantel, und drehen
Ihn immer nach dem Wind,
Und meinen, man werd' es nicht sehen,
Wie abgedreht sie selber sind.



Man hat mir wohl so manches Glück
Verbittert und verkümmert,
Doch wenn es war zertrümmert,
Dann gab man's höflich mir zurück.



Nicht die Stadt Paris allein,
Jede soll so heilig sein,
Daß sie nicht der Krieg zerrütte, -
Jede Stadt, ja jede Hütte.



Der Falschen Freundschaft ist doch nur
Ein Raubthier, das uns leckt,
Und das dem Blut ist auf der Spur,
Das seine Mordgier weckt.
Die Schmeicheleien Falscher sind
Nur Judasküsse, liebes Kind!



Wer Unrecht thut, der glaubt im Grunde
An keinen Gott,
Und führ er noch so fromme Wort' im Munde,
Es trifft ihn doch mit Recht der Spott.



Hältst du streng dich, wirst du gelten
Als ein Heuchler oder ein Kameel,
Bist du aber kreuzfidel,
Wird man einen Lump dich schelten,
Diesen Leuten macht man niemals recht,
Denn sie selber sind zu schlecht.



Bleib fern dem Haus und Horizonte,
Von dem du einmal dich verbannt,
Wer einmal uns verkennen konnte,
Der hat uns niemals recht gekannt.

Am besten ist's oft, gleich die Wucht
Der Fäuste zu gebrauchen;
Wer lang nach einer Waffe sucht,
Kann sich den Fuß verstauchen.



Ist's nicht, als ob man Gletschern Zähne weist,
Wenn mit dem Schicksal grollt der Menschengeist?



Für sich und für die Freunde dichten
Ist süß und angenehm, ich bleib dabei;
Dem großen Haufen etwas anzurichten
Ist Selbstmord, ist Thierquälerei.



Wenn allem Ringen, allem Streben
Die Welt nur Hohn entgegensetzt,
Dann staunet nicht mehr, wenn zuletzt
Das hoffnungsreichste Leben
Verzweifelt, und, indem es Allem flucht,
Vergessenheit im Rausch der Laster sucht.



O, wie klingt die Saite schrill,
Wenn ein gründlicher Pedant
Purzelbäume schlagen will,
Oder Amors Bogen spannt!
Selbst zu einem Gaunerstück
Braucht man Fertigkeit und Glück.



Was dem Einen Freude bringt,
Schlägt dem Andern eine Wunde,
Wenn der Himmel Halleluja fingt,
Heulen laut die Höllenhunde.



Man weiß es aus den biblischen Geschichten,
Wer Simson schor und wer ihn band;
Um einen schlau zu Grund zu richten,
Leiht immer gern ein Weib die Hand.



Sich bezwingen ist wohl schön,
Aber, kann's gescheh'n,
Ohne Schmerz und Zagen?
Mehr als ein Vergeh'n
Straft sich oftmals ein Entsagen.



Der Mann, den seine Feinde loben,
Der ist versorgt und aufgehoben.



Der Undank stößt von sich die Treue,
Um Platz zu machen für - die Reue.



So Viele dürfen unverwehrt
Das Böse thun und werden noch geehrt.
Will sich ein armer Teufel etwas holen,
Gleich heißt es: Packt den Hund, er hat gestohlen.



Nicht der Schmerz ist der wahre,
Der, wenn man schließt die Bahre,
In Thränen überfließt,
Nein der, der Jahr für Jahre
Die Trauer still in sich verschließt.



Wär als Gabe mir geschenkt,
Daß ich müßt' wissen alles Dumme,
Das der und jener von mir denkt,
Und all die Summe
Des Bösen, das man von mir spricht,
Beim Himmel, lieber lebt' ich nicht!



Der Fang von Mücken
Wird kaum der Adlerkralle glücken.



Auf krummen Wegen geht oft leicht,
Was redlich Wollen nie erreicht.



Spalten sind im Gletschereise,
Schnee fällt über Nacht,
Und bedeckt sie leicht und leise -
Auf den Höhn nimm dich in Acht!



Ich hoffe, meine Hand ist rein -
Ich hab es stets dem Schicksal überlassen,
Zu grausam gegen die zu sein,
Die glaubten, daß sie müßten hassen.



Ob elend ich mich selbst gewähnt,
Ob ich im Schein des Glücks mich sonnte,
Ich hab doch niemals noch gegähnt,
Anstatt zu helfen, wenn ich konnte.



Wie Felsenriesen in der Nacht,
Worüber Wolken schweben -
So stehen sie, so groß vollbracht,
Die Alten da, und geben
Von ihrem Reichthum ewig ab
An uns, an unser Dichten, unser Leben.



Wär nicht die Selbstsucht unser Theil, es würde
Ein ewig Fliehen vor sich selbst das Leben,
Man darf nicht Alles einem Feind vergeben,
Wir wären sonst nur Lämmer einer Hürde.



Armut im verschmähten Kleid,
Wenn dich plagen will der Neid,
Gräm' dich nicht, sei unbesorgt,
Weiß ist auch nicht jeder Hals
Wie am Abend eines Balls,
Mancher Schmuck ist nur geborgt,
Mancher Stein, der herrlich blendet,
Ist nur falsch, und falsch gewiß
Jenes Haar und dies Gebiß.
Ueberall auf dieser Welt
Ist das Meiste, was gefällt,
Nachgemachter Edelstein,
Und erborgter Glanz und Schein.



Wer das Wesen des Geistes nicht kann ertragen,
Der soll sich nicht in seine Nähe wagen,
Sonst wird er zermalmt und zerschellt;
Denn der fährt auf einem stolzeren Wagen,
Als all die anderen Herrscher der Welt.



Viel lieber ein schlechtes Kleid
Und karges Essen,
Als daß man zugefügtes Leid
Nicht rächen kann und nicht vergessen!



Es flattert wohl im Windeshauch
Von einem todten Schmetterlinge
Ein Flügel noch, und schimmert auch,
Doch ist es nicht mehr eine Schwinge.



Wen die Götter, heißt es, lieben,
Der stirbt jung;
Aber wem im Alter noch geblieben
Jugendfeuer und Begeisterung,
Der ist auch nicht übel angeschrieben.



Erkennen lerne
Das Menschengeschlecht
Auf Erden das Recht
Und am Himmel die Sterne.



Ihr Griechen freilich schufet Dramen
Mit hohem Meisterblicke,
Da gab das Volk den Preis und Namen;
Bei uns macht's nur die Clique.



Du willst für Recht und Wahrheit zeugen,
Du sprichst von Menschheit, Freiheit, Licht,
Du guter Mann, lern' dich verbeugen,
Das Andre will man nicht!



Wer für die schöne Gegend schwärmt,
Dabei an gutem Wein sich wärmt,
Und die Forellen nicht vergißt,
Der ist der wahre Tourist.



Es wäre doch thöricht,
Ließ ich mich verführen,
Und ging, wo der Kehricht
Aufweht vor den Thüren.



Im Elend können Scherze nicht erfreuen;
Wer möchte doch in Essig Rosen streuen?



Unbill wird man nicht vermeiden,
Wenn man Eifer hat und Muth,
Denn erst dann beginnt das Leiden,
Wenn man etwas Gutes thut.



Gnade für seine Vergehen
Kann der sündige Mensch erflehen;
Aber Gnade für ein schlechtes Gedicht
Das gibt es nicht.



Was dein ist wie gefunden,
Das hat den schönsten Werth;
Was man zu heiß begehrt,
Das ist auch bald entschwunden.



Wer säß nicht kühl und vornehm lieber
Als Richter auf dem Kritikstuhle,
Anstatt als Dichter mit dem Fieber
Des Größenwahns im Sündenpfuhle?



Geradausgehen kann dir schlecht bekommen,
Und auf den Zehen schleichen hilft nicht viel,
Bezahlt man, wird man übernommen,
Und wagt man, so verliert man leicht das Spiel;
Da komm' der Teufel an ein Ziel!



Man freut sich, wird man einmal arg,
Der Lohn der Tugend ist doch gar zu karg.



Zum Hagelkorn kann wohl die Aehre sagen:
"Halt ein, ich bin das bessre Korn,"
Sie wird in Grund und Boden doch geschlagen, -
Was hilft auch Gutsein gegen Stärkrer Zorn?



Der Diamant ist nicht nur Edelstein,
Er kann auch schneidend sein.



Herzen muß man sich erobern
Und nicht nur Zungen,
Das Lob von Lobern
Ist bald verklungen.



Nur kärglich spriesen Moose
An rauher Felsenwand,
Doch pflückt auch deine Hand
Nur dort die Alpenrose.



Die Wahrheit und die Lüge.

Die Wahrheit ist gar oft gebunden,
Die Lüge bringt sich herrlich fort;
Die Wahrheit wird nur schwer gefunden,
Die Lüge hört man hier und dort.
Es öffnen ihr sich alle Thüren,
Sie läßt sich, hoch von Schminke roth,
In Kirchen und Paläste führen;
Die Wahrheit kaut am trocknen Brot.

So manches Auge füllt sich trüber,
Das, ach! die Wahrheit sehen soll;
Der Wahrheit geht man scheu vorüber
Und fordert doch von ihr den Zoll.
Die Lüge kann man allwärts haben,
Und süß ist ihre Schmeichelei,
Die Wahrheit aber ist erhaben,
Und oft noch bittrer als Arznei.

Die Lüge darf in Alles rathen,
Die Wahrheit ist im Aug' ein Dorn,
Die Lüge steht in vollen Saaten,
Die Wahrheit ist ein kleines Korn.
Die Lüge hat Posaunenstöße,
Die Lüge führt das große Wort,
Die Wahrheit wirkt in schlichter Größe,
Doch was sie schafft, das dauert fort.


  Hermann von Lingg . 1820 - 1905






Gedicht: Anmerkungen

Expressionisten
Dichter abc


Lingg
Schlußsteine

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Anmerkungen, Hermann von Lingg