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Hermann von Lingg
Schlußsteine
. 1. Auflage 1878
Asträa
Schon hat zu schwer verletzt, verkannt,
Asträa sich von uns gewandt,
O möcht' es ihrem Flug gefallen,
Mit einem Lichtstrahl aus dem Sternenheer
Uns leuchtend noch voranzuwallen;
O möchte sie zuweilen,
Und wär' es auch ein Tropfen nur ins Meer,
Das bange Dunkel um uns her zertheilen.
Hat doch den Schwachen hie und da,
Wenn schreiend Unrecht ihm geschah,
Ein Wackrer sonst vertheidigt,
Der Reiche selbstlos Hungernde gespeist,
Den Hochmuth kühner Trotz beleidigt,
Ward nicht verziehen Güte
Und Schönheit, Jugendlust und edler Geist,
Die sonst zu schmähen sich die Welt bemühte?
Und wenn man Kerker angefüllt,
Es blieb den Schergen noch verhüllt,
Doch einer stets, und ein Gedanke,
Wenn alles schon erdrosselt schien, zertrat
Die ungeheure Schranke,
Nun erst, sich still verkündend,
Erwuchs er bald empor zum Wort, zur That,
Mit hellem Freimuth alle Welt entzündend?"
Nein, rufst du, wer, der tiefer sieht,
Schmäht unsere Zeit, wo wird, was Gutes rieth,
Noch heut gelästert und gebunden? -
Ach Herz, frohlocke nicht so laut!
Nur in den seltnen Stunden,
Wo große Dinge reifen,
Scheint dem, der Nachts empor zum Himmel schaut,
Asträa's Flug die Erde noch zu streifen.
Hermann
von Lingg . 1820 - 1905
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