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Hermann von Lingg
Schlußsteine
. 1. Auflage 1878
Beatrice Cenci
Wo bleich das schöne Haupt vom Hiebe
Des Henkers lag im Blut, da schwang
Sich eine Taube hin, die Liebe,
Die nach der Opferstätte drang,
Sie tauchte sanft ins Blut die Schwinge,
Dann flog sie wieder auf, empor,
Als ob in ihr die Seele dringe
Die freie, zu des Himmels Thor;
Und schuldlos vor dem ew'gen Richter
Erschien sie, doch auf Erden hier
Errötheten selbst Bösewichter,
Wenn sie verglichen sich mit ihr.
Befohlen hatte, sie zu richten
Der Papst, obwohl ihn Alles bat;
Er sprach von seinen hohen Pflichten,
Von allzuschwerer Missethat.
Und der bestellt war, ein Behüter
Des Lamms in dieser Welt zu sein,
Zog räuberisch der Todten Güter,
Die Kirche zu belehnen, ein.
Wie viel schon Rom erfahren, trüber
Sahn niemals sich die Menschen an,
Voll Mitleid ging man sich vorüber,
Ihr Tod schien Allen angethan.
Die Nacht kam, jetzt schloß hundert Pforten
Die Hölle selbst hohnlachend auf,
Es ritten ihres Heers Cohorten
Aus ihr hervor in vollem Lauf,
Wohin der Rosse Hufe trafen
Entwichen Flammen ihr, ein Loth
Erleicht'rung ward den Höllenstrafen
Durch dieses Mädchens bittern Tod.
Die Reiter auf den schwarzen Rossen
Durchjagten Rom, und in dem Strahl,
Der um die Richtstatt lag ergossen,
Schwand etwas ihrer ew'gen Qual.
Hoch rauschten ihre schwarzen Flügel,
Ein jeder der Verdammten schlug,
Wo eine Kirche stand, die Bügel
Ans Erzthor im Vorüberflug.
Da seufzten über den Altaren
Die Kruzifixe, neigten sich
Die Heil'genbilder, und in Bahren
Die Todten weinten bitterlich.
Die Reiter aber, ihre Runde
Vollendend, rissen mit hinab
Des Priesters Herz zu jenem Grunde,
In dem es kein Erbarmen gab.
Hermann
von Lingg . 1820 - 1905
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