Der Erbfolgekrieg

(Bericht des Reichspostreiters.)

Warum ward also scharf
Beschafft durch alle Reiche
So reicher Kriegsbedarf?
Den Erisapfel warf
Ein Kind auf eine Leiche!
Es starb und gab Signal
Zum Krieg verhängnißvoll,
Als im Eskurial
Die Todtenglock' erscholl.

Ihr Furien der Schlacht,
Es gilt die reichste Krone,
Herauf aus eurer Nacht!
Wer Spanien erbt, dem lacht
Die Fülle jeder Zone.
Es gilt die Monarchie
Der stolzen Majestät,
In deren Landen nie
Die Sonne untergeht.

Der Nächste bei dem Schatz
Ist Louis quatorze. Den Kronen
Beweist er durch den Satz:
"L'état c'est moi - macht Platz!"
Sein Erbrecht mit Kanonen.
Auch Oestreich rückt sogleich
Mit Heeresmacht herbei,
Das ganze deutsche Reich
Erschallt von Kriegsgeschrei.

Zum Kampfe rücken ein
Die Heere beider Prinzen,
Die streitenden Partei'n
In Lüttich und am Rhein
Und in den Reichsprovinzen!
Seht den Leviathan,
Den Haifisch Marlborough,
Ihm setzt der Gallierhahn
Umsonst so heftig zu!

Er weiß als ein Soldat
Ins Treffen zu marschiren,
Und lenkt wie Kugelsaat
So post affaire den Staat
Im Cours von Staatspapieren.
Der Marschall in dem Feld
Verliert durch ihn die Schlacht,
Und Millionen Geld,
Die stolze Königsmacht.

Nur Prinz Eugen ist mehr
Begünstigt von Bellona,
Allein der Britten Heer
Nimmt Gibraltar am Meer
Und endlich Barzellona.
Es wechselt Glück und Sieg,
Es schwindet Jahr um Jahr,
Und endlich ist vom Krieg
Die Welt der Kräfte bar!

Selbst dessen Ländersucht,
Der stets gefaßt zu tragen
Sein Mißgeschick gewußt,
Nun fühlt die stolze Brust,
Sie muß dem Glück entsagen,
Nun klopft im Louvre an
Die Schuld, und riesengroß
Erinnert sie daran,
Wie viel des Blutes floß.

An Gold und Marmorwand,
Bei Schauspiel und Banquetten
Schrieb eine Geisterhand:
"Wie hofft ihr noch das Land
Vom Untergang zu retten?"
Das Kriegsglück war dahin,
Die Sonne Louis quatorze'
Sie rief ihm noch im Fliehn
"A kingdom for a horse!

Du wähnst, der Menschheit Gut
Sei da nur deinetwegen,
Und Ehre nur für Muth
In Schärp' und Federhut
Und für galante Degen?
Das Maß ist voll, es schlägt
Ein göttliches Gericht,
Und seine Waage trägt
Der Staaten Gleichgewicht!"

Zur Gruft von Saint-Denis
Sank bald der Leuchter nieder,
Dem Richelieu's Genie
Den Glanz Augusts verlieh,
Doch jene Schrift kam wieder:
Die Flamme war entfacht,
Die Schuld ward zum Banquerott',
Und über ihr erwacht
Der Menschenrechte Gott.


  Hermann von Lingg . 1820 - 1905

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