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Hermann von Lingg
Schlußsteine
. 1. Auflage 1878
Der Verwundete
1.
Was wollt ihr mich in Ketten thun?
Vielleicht nach wenig Wochen
Werd' ich in jenem Kerker ruhn,
Den Keiner noch durchbrochen.
Der Freiheit hab ich treu gelebt,
Nicht dort will ich verderben,
Nicht wo die schwarze Spinne webt,
In Freiheit will ich sterben.
Daß meiner Seele letzter Hauch
Den Himmel noch erreiche,
Und seine Blätter ein Blüthenstrauch
Schüttle auf meine Leiche.
2.
Am längsten Sommertage mit dem Strahl
Der Sonne ging auch meine Zeit zur Rüste,
Der Abend kam, es war das letztemal,
Daß ich der Freiheit stolze Lippen küßte.
Die schöne, lockigte voll Schlachtenlust!
Von goldner Spule hatte sie gewunden
Den schwarzen Faden über meine Brust.
Ich sterbe bald, ich sterb an meinen Wunden.
Mein Haupt laß ruhn am Fuße dieses Steins,
Auf diesem Fels, um den die Ziegen grasen;
Mein Weib, mein Kind, an dieser Stätte wein's;
Und Rosen sollen blühn auf meinem Rasen.
Hermann
von Lingg . 1820 - 1905
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