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Hermann von Lingg
Schlußsteine
. 1. Auflage 1878
Die Tochter des Räubers
Von ihren Brüdern lagen drei
Im Wald nach heißem Kampf erschossen,
Ihr Vater lag verwundet dabei,
Bewacht von den Häschern und enggeschlossen.
Und als man ihn führte nach Rom hinab,
Da brach sie zusammen ohne Worte,
Und als man ihm grub im Kerker sein Grab,
Sie schleppte sich zur Klosterpforte.
So sah sie ein Fürst, ein Kardinal,
Das schöne Mädchen, er ließ sie rufen,
Und führte sie mit zum prächtigen Mahl
In seinem Palast auf Marmorstufen.
Sie sah ihn an mit höhnendem Leid,
Und ihre großmächtigen Augen brannten,
Sie stieß ihn von sich und riß ihm vom Kleid,
Das heilige Kreuz mit allen Demanten.
Sie lief zur Kirche, sie löste dafür
Für ihre Todten die Seelenmessen,
Und lag auf den Knien an der Kirchenthür,
Am Fuße der hohen, der dunklen Cypressen.
Hermann
von Lingg . 1820 - 1905
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