Einkehr

Nach langer Irrfahrt kehr ich wieder
Ein Fremdling bei mir selber ein,
Und blick' auf meine Tage nieder;
O Wand'rer, bist du auch noch dein?

Lebt deine Kraft noch unzersplittert,
Lebt noch der Seele Muth und Schwung,
Wie viel ward dir zerstört, verbittert!
Nur dies zu fühlen bliebst du jung?

Nein noch verstummt ich nicht mit jenen,
Die jeden Stillstand längst verschmerzt,
Noch fühl ich ungestillt ein Sehnen,
Zu jedem Kampf mich noch beherzt.

Wie bald und ehern steht die Marke,
Und ausgesteckt auch meine Bahn!
Es schlägt ins Joch die Welt der Starke,
Der Stärkste wird ihr unterthan.

Dann werd' ich nicht mich wiederfinden
Als der, der ich noch heute war,
Es schließt in immer dicht're Rinden
Der Baum sich ein mit jedem Jahr.

Und Muth und Hoffnung, oft gescheitert,
Stirbt langsam nur, bis daß zuletzt
Auch keine Liebe mehr uns läutert,
Und selbst kein Haß mehr uns verletzt.


  Hermann von Lingg . 1820 - 1905

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