Ex ovo

In diese Welt voll Sturmeswehen,
Wo nie die wilden Kräfte ruhn,
Kamst du herein, dich umzusehen,
Du kleines, winzig kleines Huhn.

Du hast die Schale durchgebrochen,
Du schwaches, armes Wesen du,
Wie bist du kühn hervorgekrochen,
Was gab dir nur den Muth dazu?

Die Jahrzeit droht mit tausend Schrecken,
Das Raubthier sucht, der Mensch zertritt,
Und nur zwei warme Flügeldecken
Gab die Natur zum Schutz dir mit.

Wie Adler aus dem Neste schweben,
Wie nur ein Kind im reichsten Haus,
So zuversichtlich auf das Leben
Krochst du aus deinem Ei heraus.

Dem Schutz der mütterlichen Hülle
Vertrauend schlofest du hervor,
Damit das Wunder sich erfülle,
Das nie an Neuheit noch verlor.


  Hermann von Lingg . 1820 - 1905

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