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Schlußsteine
162 Bücher



Hermann von Lingg
Schlußsteine . 1. Auflage 1878



Fest-Prolog

zur Albrecht Dürer-Feier.

Im Donner eines Niagarafalles
Ertönt der Menschenruf wie Geisterlaut,
Und in ereignißreicher Zeit ist Alles
Bedeutungsvoll - da - gleichsam eingebaut -
Wird jeder Tag als Denkstein angeschaut,
Als Träger ihres mächt'gen Widerhalles,
Und wenn die Heldengräber offen liegen,
Dröhnt auch der Vorzeit Gruft, und jedesmal
Sind ihr die großen Schatten auch entstiegen,
Um deren Stirne glänzt ein Götterstrahl.

So wollen wir es nicht für Zufall halten,
Für nur willkomm'ne Festgelegenheit,
Daß von den altehrwürdigen Gestalten
Der nunmehr auferstand'nen Kaiserzeit
Als Erster Albrecht Dürer uns begegnet,
In dieser Feier uns entgegentritt,
Der von der deutschen Muse reich gesegnet,
Als Erster neue Bahnen auch beschritt,
Ja, daß es Dürer ist, der Mann gerade,
Der deutsches Wesen so getreu in sich
Und seinen Werken zeigt, der rauh'ste Pfade
Durchmaß, den Größten nahe war und glich.
So zart und kräftig, innig mild im Herben,
Im strengen Ernst so voller Freudigkeit,
So sehn wir ihn im Sinnen und Erwerben,
Im Schaffen und im Leben wie im Sterben,
Ein reines Urbild deutscher Tüchtigkeit.

Ein Dürer! Wer hat das nicht schon vernommen,
Und wer mit Andacht nicht? Bewund'rung hält
Und Ehrfurcht, frommer Schauer uns beklommen,
Ein Zug, der selbst das starrste Herz befällt;
Denn welche Wahrheit lebt in jedem Bilde,
Der schlichten Einfalt lichtumgrenzte Welt!
Ist's nicht, als blickt' ein güt'ger Sonnenschein
In alles Menschenleid mit Engelsmilde,
Versöhnend durch die Erdennacht herein?
Geheiligt beinah weht es aus dem Saale,
Der einen Dürer birgt, und ein Gemach,
Das auch nur ein Bild von ihm hat, - im Strahle
Des Morgenlichtes, wenn da nach und nach
Der Vorhang vom Gemälde wird gezogen,
Dann hebt ein Ach des Staunens jede Brust
Und manchem Antlitz, selbst von Gram gebogen,
Entringt sich eine Thräne herber Lust.

Wer kennt nicht jene mächtigen Gestalten,
Die vier Apostel, die in jedem Zug
Die Würde tragen siegender Gewalten,
Der Demuth Kraft, die Kreuz und Himmel trug!
Das sind sie, ja, die eifrigen Verkünder
Und Zeugen von der Welterlösung Wort,
Die felsenstark-todtmuthigen Begründer
Des Gottesreichs auf Erden! Seht, und dort
Den Heiligen im Stillen seiner Zelle,
So weltvergessen und vertieft allein
In göttliche Geheimnisse - die Schwelle
Der Ewigkeit sein ganz, sein einzig Sein!
Wer hat der Schmerzen Schmerz nicht mitempfunden
Im Mitgang auf dem Weg der Passion,
Aufblickend zu dem Haupt voll Blut und Wunden,
Zum dorngekrönten Gottessohn! -

Fühlt und versenkt die Seele ganz nach innen,
Zur Tiefe des Gemüthes in dem Mann,
Der solch ergreifend Hohes auszusinnen
Und zu verbildlichen vermocht, und dann
In sein Jahrhundert blicket hin! - Mit Zinnen
Und Warten liegt sie da in stolzem Bann
Die alte Stadt, mit Giebeln, Erkerthürmen
Und trauten Stuben; vor dem Thore mag
Der Krieg im Reich um hohe Burgen stürmen,
Am Fürstenhof glänzt Prunk und Jagdgelag,
Hier waltet Ordnung, Emsigkeit und Friede,
Da löthet feines Gold geübte Hand,
Und Helm und Harnisch schafft die Waffenschmiede,
Da schreibt der Kaufherr in entferntes Land,
Das ihm die Waaren sendet, Saumross' tragen
Den Ballen schon hinauf, den Eishöhn nah;
Die aber mitgehn, wissen viel zu sagen
Vom Maler Dürer, denn sie bringen ja
Ein Bild aus Welschland, das er dort gemalt. -

Er selbst indeß, der Meister sinnt zu Haus'
Vor seiner Staffelei, und blickt hinaus
Im Abendlicht, das auf die Dächer strahlt:
Italiens denkt er und so mancher Nacht,
Mit Freunden dort beim hellen Becherklange
Im Kreise schöner Frauen zugebracht
In Festlichkeit und fröhlichem Gesange;
Voll Sehnsucht denkt er's - denn oft allzukarg
Und schwer umdüstert war sein äuß'res Leben;
Gar oft vor ihm in Nebelwolken barg
Die Sonne sich, es war ihm nicht gegeben,
Den ganzen Reichthum seines Genius auch
In frei'ster Fülle siegreich auszubreiten,
Wie jene Glücklichen, die in dem Hauch
Des Südens ihrer heitern Kunst sich weih'ten.

Allein auch so durchbrach die harten Schranken
Die Stärke seiner Willenskraft, und schlang
Phantastisch und voll Anmut bunte Ranken
Um Lied, Gebet und um den Heldensang.
Welch edle Lebensfülle, Majestät
Und Größe bietet sein Triumphzug dar!
Vom stolzen Rosse bis zum Erzgeräth'
Der Wagen und der Waffen! Und die Schaar
Von Fürsten, Rittern, Bannerträgern, Chören -
Das wogt heran, man glaubt den Widerhall
Vom Siegsschritt jener Kriegsmacht noch zu hören,
Und "Heil dem Kaiser!" tönt's mit Donnerschall.

Erneuern wir den Gruß! Aus alten Tagen
Des Reiches, wie von Geistermund getragen;
Und wie ein Klang von erz'nem Lorbeerblatt
Winkt's mahnend uns hervor. Welch' andre Stadt
War's mehr werth, daß sie diesen Gruß erneu're,
Als Dürers Vaterstadt, vor allen reich
An Männern, deren Vorbild uns befeu're
Wie sie zu sein und ihrem Streben gleich!
Erneuern wir den Gruß mit Herz und Hand,
Und in den neuen Siegsruf stimmet ein:
Heil sei dem Frieden und der Kunst Gedeihn,
Und Heil dem ein'gen deutschen Vaterland!


  Hermann von Lingg . 1820 - 1905






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