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Hermann von Lingg
Schlußsteine
. 1. Auflage 1878
Im Bergwald ruht, im Eichenhaine
Der Nemi-See; wohl hieß er auch
Dianas Spiegel, seine reine
Tiefblaue Woge trübt kein Hauch.
Und so den reinen Spiegel nennen
Der echten Liebe möcht' ich dich,
Dein Blick wird stets die Gluth bekennen,
Die nie aus deinem Herzen wich.
Die Liebe strahlt von deinen Wangen,
Sie spricht, sie lacht aus dir, sie wallt,
Wenn du von fern nur kommst gegangen,
Um deine liebliche Gestalt.
Du bist wohl schön in Glanz und Schimmer,
Wenn du mit Kälte dich umgibst,
In Gram und Kummer schön noch immer,
Am schönsten freilich, wenn du liebst.
Die Schönheit und der Liebe Wesen
Sind Eins und innig sich verwandt,
Sie haben dich mir auserlesen
Und ich hab' deinen Werth erkannt;
Schön ist, wenn zürnend uns erglühte
Dein Antlitz, schön, wenn du vergibst,
Wie bist du schön in deiner Güte,
Am schönsten freilich, wenn du liebst.
Heut, da man Allerseelen feiert,
Heut schmück ich meiner Liebe Grab,
Und immer tiefer sei verschleiert,
Was ich um dich erlitten hab'.
Heut darf ich mein Gelöbniß brechen
Und sagen, wie du werth mir bliebst,
Schön ist's, mit dir vertraut zu sprechen,
Am schönsten freilich, wenn du liebst.
Hermann
von Lingg . 1820 - 1905
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