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Hermann von Lingg
Schlußsteine
. 1. Auflage 1878
Nordöstlicher Divan
1.
Sieh dort den alten Berggeist pochen
Hoch auf der Felswand im Gestein!
Und blutroth fallen von den Jochen
Die Splitter in den See hinein.
Schwarz wogt es unten, schwarz und träge,
Und aus der Tiefe wie Geläut
Erschallt es zu der Welle: wäge,
Wie viele sind gefallen heut?
2.
Kein Halm wächst auf den Bergen dort,
Kein Fisch hüpft aus der Tiefe,
An diesem Ufer lebt kein Wort,
Das nicht: "Vergessen" riefe.
Jetzt hallt ein Schuß - das Echo gellt
Den Donner langsam wieder,
Und auf die schwarze Woge fällt
Wie Säbelblitz ein Lichtstrahl nieder.
3.
Um Reste grauer Thürme zieht
Der Adler seine Kreise,
Er späht ins öde Felsgebiet
Nach seiner kargen Speise.
Sein Ahnherr hatte bess're Kost,
Der trank aus Schädelknochen, -
Da kommt ein Dampfer mit der Post:
Der Krieg ist ausgebrochen.
Der alte Kampf - das Kreuzheer schlägt,
Die Allahrufe schallen,
Froh kreischt der Adler auf, er trägt
Ein Lamm in seinen Krallen.
4.
Wenn das Meer von Minareten
An den Sternenhimmel rührt,
Lerne dann, daß wie Planeten
Ein Gesetz auch Staaten führt.
Ein Gesetz, das jedem Loose
Seinen Schmuck und Trauring gab,
Nachtigallen für die Rose -
Und Cypressen für das Grab.
Hermann
von Lingg . 1820 - 1905
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