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Schlußsteine
162 Bücher



Hermann von Lingg
Schlußsteine . 1. Auflage 1878



Philomache

Vom Gipfel des Berges Sunium
Zeigt sich den Schiffern und Wandrern
Ein Tempel Minervas, ein Heiligthum,
Berühmt vor allen andern.

Wer hier vorbeifährt oder wallt
Nach Attika, dem Garten,
Erblickt den Felsen, in dessen Gestalt
Philomaches Glieder erstarrten.

Die Tochter des Königs Timokreon,
Des Kreterkönigs Tochter,
Sie sprach: Mich fesselt kein Erdensohn,
Kein sterblicher Erosgejochter.

Ein riesiger Schwarm von Freiern fuhr
Heran aus allen Reichen,
Sie ließ sie sterben, und lachte nur,
Als man verbrannte die Leichen.

So oft entfacht ein Holzstoß war,
Erschien sie festlich gekleidet,
Und höhnte, mit Blumen bestreuend ihr Haar:
Nun hab ich's bald Allen entleidet!

Ob solch hochmüthiger Sinnesart
Ergrimmte die Göttin von Paphos,
Die gern den Liebenden Seufzer erspart,
Und sie gedachte Sapphos,

Der Unglückseligen, die hinab
Vom Felsen gestürzt in die Fluthen,
Die sich den Tod aus Liebe gab,
Gehorchend den heiligen Gluthen.

"Und jene spottet der Flammen nur!"
Zornglühend rief es Tythere,
Und wies Seeräubern der Frevlerin Spur,
Die froh sich erging am Meere.

Ein muthiger Jüngling nahm sie mit fort
Zur Insel umgürtet von Klippen,
Er küßte dem Mädchen mit kosendem Wort
Den Brautkuß von den Lippen.

Und weil sie nun verschwunden blieb,
So ging seitdem die Kunde,
Es habe sie Eros, der Mutter zulieb,
Erlegt mit tödtlicher Wunde.

Er habe sie auf Cytherens Gebot
Ins Herz mit Pfeilen geschossen,
Die Helios lieh, dann habe der Tod
Mit steinernem Arm sie umschlossen.

Sie wurde, hieß es, verwandelt in Stein
Vom Haupt bis zu den Füßen,
Und müss' im Felsen in stummer Pein
Für ihre Härte büßen.

Sie lebte jedoch manch blühendes Jahr
In der heimlichen Grotte behütet,
Und hat, was sie zu grausam war,
Durch Liebe nun reichlich vergütet.


  Hermann von Lingg . 1820 - 1905






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