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Hermann von Lingg
Schlußsteine
. 1. Auflage 1878
Was dir gefällt ist schön, da du
Die Schönste bist, ich fänd die Lüge
Noch reizend, gern gesteh' ichs zu -
Entlehnte sie von dir die Züge.
Hätt' Undank mich von dir betrübt,
So dächt' ich, wollt' ein Haß entlodern,
Wer hat nicht Undank schon verübt?
Wer hat das Recht, nur Dank zu fodern?
Der Hochmuth, sonst für mich ein Dorn,
Ich fänd ihn doch bei dir entschuldigt,
Mit Recht erfahre deinen Zorn,
Wer dir nicht gern und immer huldigt.
Nimmst du des Kaltsinns Maske vor,
So weiß ich wohl, du liebst zu schweigen,
Um nicht vor jedem Aug und Ohr
Wie du bezaubernd bist, zu zeigen.
Für eine Schlange hielt man dich,
Weil du in Blumen dich verstecktest,
Für steinern, weil du innerlich
Nur Gold enthieltst und nicht entdecktest.
Wohl uns, denn Alle sehen sie
Im Schatten nur die Schalkheit lauern,
Vor deinem Lächeln sehn sie nie
Die hohe, schöne Seele trauern.
Hermann
von Lingg . 1820 - 1905
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