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Hermann von Lingg
Schlußsteine
. 1. Auflage 1878
Wiederfinden
Aus Gärten ragt mit Thurm und Thor
Ein hochgegiebelt Haus empor;
Unheimlich flüsterts in den Zweigen ...
Es flüstert und rauscht,
Und lauscht,
Und späht nach den Schatten, die oben sich zeigen.
Er hält vor Liebchens Fenster Wacht,
Musik erschallt in Stille der Nacht
Es schleifen die Schuhe den Estrich, den glatten
Man hört es genau,
Und schau -
Die Tanzenden gleiten vorüber wie Schatten.
Urplötzlich gellt empor ein Schrei;
Man stürzt ans Fenster: Zu Hilfe! Herbei!
Hier lieg ich getroffen vom Dolche der Meuchler.
Ist kein Verband
Zur Hand? -
Ach! seufzt er wie sterbend der listige Heuchler.
Man trägt ihn hinauf in den leuchtenden Saal,
Starr blickt er umher, da sieht er beim Strahl
Der Kerzen sein Mädchen hinsinken, erblassend;
Sie liebt mich doch
Und noch!
Aufspringt er, die Holde mit Jubel umfassend.
Ich bin nicht erstochen, bin wohl und gesund,
Ich war nur hier innen im Herzen todtwund,
Nun weg mit dem falschen, zerknitterten Kranze!
Halt fest zu mir -
Ich hier
Und Keiner sonst führt dich zum Brautbett vom Tanze!
Hermann
von Lingg . 1820 - 1905
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