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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
An die Tochter der Leda
Homer, der alte, blinde Weise,
Erzählt, wie einst im Troerstaat
In die Versammlung würd'ger Greise
Frau Helena, die Fürstin, trat.
Und plötzlich sank ein tiefes Schweigen,
Wo just das Wort wie Stahl gesprüht,
Und all die Silberhäupter neigen
Sich tief, und jedes Auge glüht.
Und alle küssen ihre Hände -
Beim Zeus! wie war sie schlank und jung!
Und die Beratung war zu Ende
Und starb in froher Huldigung.
O Helena, seit tausend Jahren
Ruhst du in Spartas Grüften aus,
Den Mohnkranz in den lock'gen Haaren,
Zur Seit' dem tapfern Menelaus.
O, schieb hinweg die Marmelsteine
Noch einmal mit der kleinen Hand,
Am Gürtel helle Edelsteine
Und dunkle Rosen im Gewand,
So tritt wie damals, stolz und leise,
Ein Siegeslächeln um den Mund,
In unsern Rat der Tapergreise
Und mach die kranke Zeit gesund!
Und zeig als Siegespreis den Jungen
Die Rose nur aus deinem Kranz,
Dein Lächeln nur, um das gerungen
Die Mannesblüte Griechenlands.
Schon schwillt's in dumpfen Kampfgetösen -
Schild prallt an Schild und Schwert an Schwert.
Wer ist, den Gürtel dir zu lösen,
O Ledatochter, heute wert?
Wer wird den Mund als Sieger senken
Auf deine Lippen, rot und heiß;
Wem wird dich Aphrodite schenken
Als Dank für ihren Idapreis!
Aus Dämmerwinkeln heißer Stuben
Schleicht das heut heimlich - Not und Schmach! -
Und tappt dem Wink geschminkter Buben
Im Park auf dunklen Wegen nach.
Und will sich ängsten, will sich schämen
In Maiennächten hell und klar,
Ein Mädel in den Arm zu nehmen,
Wie's tapfrer Ahnen Sitte war;
Und drückt sich in die Ecken zage,
Kommt schwellend in der Jugend Pracht,
Was Gott am sechsten Schöpfungstage
Sich für den Adam ausgedacht...
Laß uns an deinem Bild gesunden,
Wie's der Hellene uns gezeigt;
Daß aus der Liebe heißen Stunden
Die Schönheit und die Weisheit steigt;
Daß aus dem Schatze, nie ergründet,
Uns winkt der Sängerkranz des Ruhms
Und sich der Jugend Kraft entzündet
Am Feuer deines Heiligtums;
Daß uns begleitet wie ein süßes
Erinnern ohne Unterlaß
Der Märchenlenz des Paradieses,
Der Heldentraum der Ilias.
O, lehr uns unsre Kraft zu nützen,
Wo Haß die roten Fahnen hißt,
Daß wir dein holdes Haupt beschützen,
Die du in Schwachheit mächtig bist.
Vom kranken Wahn uns zu befreien,
Zeig uns, des Preises wert, die Mühn,
Laß aus des Alltags Wüsteneien
Die Rosen deiner Anmut blühn.
Laß alles köstlich uns zu eigen,
Was Liebe wagt uns Liebe litt -
Auf daß die Greise tief sich neigen,
Wenn Helena den Saal betritt!
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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