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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Astronomie
Wenn sich die Seele müd geschunden
Im engbegrenzten Erdenraum,
Hat ihr die Flügel umgebunden,
Die goldnen Flügel, oft der Traum.
Er trug hinauf in Erdenfernen
In lichtbekränzte, sel'ge Höhn,
Wo schlanke Engel über Sternen
Mit leichten Tänzerschritten gehn,
Wo hold der Sphären Lieder fließen,
Im ew'gen Lenze grünt das Land,
Und wo durch weiße Lilienwiesen
Die Geister wallen Hand in Hand.
Wer hätte je sein Leid vergessen,
Sein Leid, das grausam ihn umkrallt,
Der nie auf solchem Stern gesessen
Und sich sein Bündel abgeschnallt;
Bis ihm, gerettet aus dem rohen
Und aberwitz'gen Lärm der Welt,
Mit Hoffnungen, mit frühlingsfrohen,
Der Geister Sang das Herz geschwellt;
Bis er, den Blick in Himmelsweiten,
Auf Wolken saß, ein sel'ger Tor,
Und Gram und Schuld und Kleinlichkeiten
Der Erde aus dem Aug' verlor.
Ich will der Menschheit Forscher loben
Und ehre ein gelehrtes Haupt -
Doch fluch' ich allen Teleskopen,
Die uns den schönsten Wahn geraubt!
Die Neugier hat durchs Rohr betrachtet
Der Himmelskörper goldnen Kern:
O weh, es stürmt, es schneit und nachtet
Ganz wie bei uns auf jedem Stern.
Reflex nur ist das goldne Blitzen,
Und aller Glanz - geliehne Zier;
Und wenn dort wo Lebendige sitzen,
So plagen sie sich just - wie wir.
Und auf der Sterne Bergen schmelzen
Schneehauben wie bei uns im März;
Und von den starren Klippen wälzen
Sich wilde Wasser niederwärts.
Und unter dröhnenden Gewittern
Duckt, was am Boden kriecht und schleicht,
Und kleine rote Herzen zittern
In warmen Körpern auch vielleicht;
Und wer den Becher hat gehoben
Zu häufig bei 'nem Liebesmahl,
Der fällt, statt in die Spree, dort oben
Gewiß in einen Marskanal.
So wird uns Kenntnis kühn gewonnen
Vom Fernsten selbst im Weltsystem;
Die Träume aber sind zerronnen,
Und das ist mehr als unbequem.
Kein Platz zum In-den-Himmel-gucken
Ist für die Schwärmer mehr bereit,
Kein Standort: auf den Kopf zu spucken
Dem Plunder dieser Zeitlichkeit.
Kein goldnes Ziel, sich hinzuwagen
Aus Drangsal, Qual und Alltagsgraus!
Die andern mögen's ja vertragen -
Ein Deutscher aber hält's nicht aus!
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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