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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Der Pflegling
In dumpfer Stube zu Andernach
Da lag ein Fiebernder, müde und schwach.
Die Nase so spitz und die Wangen so weiß
Durch Bart und Stoppeln rann ihm der Schweiß.
Da war ein schwarzer, ein schwarzer Pastor,
Der sagte ihm köstliche Tröstung ins Ohr.
Sprach von dem Himmel in Wolkenhöhn
Und wie dort die Englein mit Palmen gehn.
Und wie sie singen die ganze Zeit;
Doch sei es, so hoff' er, noch lang nicht so weit.
Da war auch ein Arzt, mit Perücke geziert,
Der hatte sehr heftig in Jena studiert.
Der mischte Mixturen, bald rot und bald blaß,
Und machte höchst kunstvoll den Aderlaß.
Und spürte den Pulsschlag bald dort und bald hier
Und spendet' mit Umsicht ein warmes Klistier.
Da war eine Schwester in Nonnentracht,
Die hat dem Kranken viel Lindrung gebracht.
Sie schüttelt die Kissen und reicht ihm das Mus
Und reibt ihm die Sohlen am kalten Fuß.
Und wenn er die Augen zu öffnen scheint:
"Sankt Ignaz der hilft schon", so hat sie gemeint...
Am Fenster ging draußen ein Landsknecht vorbei
Und sah sie in Sorgen die emsigen Drei.
Er lehnt an das Gitter das braune Gesicht:
"He Pfaff, he Perücke, was ist mit dem Wicht?"
Der Arzt der sah ihn verächtlich an;
Der Pfarrer hat nicht einmal dieses getan.
Der Schwester aber - so sind halt die Fraun -
Gefiel er, weil er so keck und so braun.
Sie ging an das Gitter und flüsterte: "Still,
Daß hier uns ein Wunder genesen will."
Und ist es ein Heiliger und ist es ein Graf,
Den ihr so sorgsam behütet im Schlaf?
Da raunt ihm die Schwester: "Du Fahrender, nein.
Es ist bloß der Matthes von Bingen am Rhein.
Er war halt ein Wilder, der schlecht sich vertrug,
Bis er letzten Neumond den Oheim erschlug;
Bis er um des schnöden Geldes Bedarf
Aus turmhohem Fenster die Tante warf.
Dann griff ihn ein Büttel zu Lorch am Rhein;
Dort lag er betrunken von heurigem Wein.
So schluckt' ihn der Kerker, dem Himmel sei Dank;
Da war es zu feucht - und der Ärmste ward krank.
Nun pflegen wir ihn und pflegen zu drei'n
Mit himmlischem Zuspruch und ird'schen Arznein.
Der Arzt ist zufrieden und tat uns kund:
Vorbei ist die Krisis. Er wird gesund.
Und morgen ein Süppchen, ein Glas und ein Huhn,
Dann kann der Erquickte das Nötige tun.
Dann steigt er übermorgen, will's Gott,
Gesund und gekräftigt auf das Schafott."
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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