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Aus Traum und Tanz
162 Bücher



Rudolf Presber
Aus Traum und Tanz . 1. Auflage 1908



Der Schneider von Iserlohn

Ein Schneider war zu Iserlohn,
Mit klapperdürrem Schenkel,
Der war schon eines Schneiders Sohn
Und eines Schneiders Enkel.
Er trug des Sonntags hohen Hut
Und veilchenblaue Hosen,
Und hatte gar verwegnen Mut,
Wenn ihn der Bock gestoßen.
    Und prahlen konnt' er, prahlen,
    Beim Weine in der Stadt,
    Als wie in ganz Westfalen
    Noch keiner gelogen hat!

Da, horch! des Hornes heller Ton
Und Trommeln, die sich rühren -
Ei wei, war da durch Iserlohn
Ein Rennen und Marschieren!
"Daß keiner mir zu Hause bleibt,
Der Welsche will uns knechten;
Wer ledig ist und unbeweibt,
Soll für den Kaiser fechten.
    Nun greift zum blanken Stahle
    Und zeigt's den Franzen an,
    Wie wacker ein Westfale
    Mit Eisen hämmern kann!"

Und leis das Hintertreppchen stieg
Voll Ängsten unser Schneider;
"Ich mach' mir nämlich nichts aus Krieg,"
Denkt er, "ich mach' bloß Kleider.
Da will ich lieber Ehmann sein,
Als Feinde zu bedräuen -
Ich will des Schusters Grete frein,
Sie schielt und wird sich freuen.
    Die andern mögen zahlen
    Die Rechnung schlecht und recht;
    Ich bleibe in Westfalen
    Und mehre mein Geschlecht."

Es zog der Hans und Kunz davon
Mit Bändern an den Mützen;
Das Schneiderlein von Iserlohn
Blieb fein im Fenster sitzen.
Und neben ihm hat feist und breit,
Als sie vorüberkamen,
Der Grete holde Weiblichkeit
Gefüllt den Fensterrahmen.
    Mit vollen Kaffeeschalen
    Bracht' das ein Vivat aus:
    "Nun schlagt euch für Westfalen,
    Ich bleib' derweil zu Haus!"

Ein Sommer ging, ein Herbst fuhr um
Und wühlt' in den Platanen -
Da kam's daher mit Bim und Bum
Von Welschland mit den Fahnen.
Gesichter braun und Laub am Hut
Und auf der Brust ein Bändchen,
An allen Türen junges Blut
Und winkende Kinderhändchen.
    Und drüber Sonnenstrahlen
    Und heller Glockenton:
    "Grüß' Gott, ihr braven Westfalen,
    Ihr Jungens von Iserlohn!"

Das war ein Jubel und Gebraus -
Wie ist der Wein geflossen!
Und nur des Schneiders kleines Haus
Blieb grau und fest verschlossen.
Gestalten huschten her und hin
Und schienen wenig heiter -
Es prügelte die Meisterin,
Wie täglich, ihren Schneider.
    Der hat jetzt den fatalen,
    Den ew'gen Krieg erkauft,
    Weil er nicht für Westfalen
    In Welschland sich gerauft.


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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