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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Die Ahne
Immer kecker ist und wilder
Menschlicher Betrug gediehn -
Ach, man fälscht sogar die Bilder
Jetzt in Ahnengalerien.
Schöne Fraun, so muß ich lesen,
Damen aus der großen Welt,
Sind am Ende nicht gewesen
Die, für die man heut sie hält.
Titel legen sie und Namen
Schüchtern ab vor der Kritik;
Und es bleibt den armen Damen
Nur die Schönheit, nur der Schick ...
Kleine, die den liebentflammten
Deutschen Dichter fing sich ein,
Heut bist du 'nes Postbeamten
Blond und zierlich Töchterlein.
Rissig sind des Kleidchens Nähte
Und so unmodern sein Schnitt;
Und dein Vater trägt Pakete
Täglich aus in Moabit.
Doch mein Freund, der will dich malen,
Kleine, unterm Glockenhut;
Und ein Nabob wird's bezahlen,
Wie's ein Nabob eben tut.
Wenn sein Sohn sich dann untadlig
Führt und spannt die Schimmel ein,
Wird der Enkel einstens adlig
Und ein echter Schloßherr sein.
Und in einer Burg am Rheine
Aus dem Rahmen, wappenschwer,
Grüßt dann meine blonde Kleine
Mit dem lieben Lächeln her.
Und vom alten Kastellane
Hört es jeder gläub'ge Christ,
Daß sie eine echte "Ahne"
Aus den Zeiten Bülows ist.
Und so tilgt dann im Erbarmen
Heil'ge Kunst die schlimme Schmach:
Daß sie ringlos in den Armen
Eines deutschen Dichters lag.
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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