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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Die Schule für Verliebte
In Chikago sich erprobte
Eine Schule für Verlobte,
Drin ein Welterfahrner lehrt:
Wie man küßt sich und bespricht sich,
Wie man übt in Treu' und Pflicht sich
Und sich wechselweis' verehrt.
Solches scheint dort ein Bedürfnis,
Daß ein ernsthaftes Zerwürfnis
Nicht die Liebenden entzweit;
Und daß die verliebten beiden
Sich nicht plötzlich ängstlich meiden
Wegen großer Schüchternheit.
Solche Schule zu errichten
Hier in Deutschland war mein Dichten;
Und ich war schon bei dem Bau.
Ach, da sah ich einen Jungen,
Lachend kam er angesprungen
Und er stand und rief: "Schau, schau!
"Spar dir, Fleiß'ger, doch die Mühe,
Sieh ich lache und ich blühe,
Und ich wecke Busch und Strauch.
Wo den Fuß ich setzen werde,
Grünt und sproßt die junge Erde,
Und die Herzen blühen auch.
"Und ich mach' aus Mädchen Bräutchen,
Und ich locke Liebesleutchen
In die Gärten hinters Haus.
Und ich streue Blütenflocken
In zerzauste, blonde Locken
Und auf bunten Wiesen aus.
"Linden Regen laß ich fallen,
Und ich schütz' der Nachtigallen
Kleines Nest am Bergeshang.
Und in felsigen Verstecken
Will ich froh ein Echo wecken
Jedem muntern Wandersang.
"Trag zum Schulbau keine Steine!
Folge du beim Sternenscheine
Meiner Füße lichter Spur.
Sieh, der Lenz, der Listgeübte,
Hält die Schule für Verliebte
Jeden Tag in der Natur!"
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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