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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Die Wünsche
Mit unerfüllten Wünschen gezankt
Hab' ich im Schlaf mich auf heißen Kissen:
Euch, ihr Verflixten, sei es gedankt,
Daß meine Tage voll Kümmernissen;
Daß ich so keuche am Berghang hin,
Steine und Dörner unter den Zehen,
Daß ich noch immer nicht oben bin,
Wo die leuchtenden Tempel stehen.
Hätt' ich doch nie zu haschen gedacht
Eure flüchtig tanzende Kette!
Lieg' ich schlafgelähmt in der Nacht,
Sitzt ihr lächelnd an meinem Bette.
Sitzt ihr friedlich und mild beschämt
Und verspottet den Sehnsuchtswunden,
Daß seine Glieder der Schlummer gelähmt,
Daß ihm das Mondlicht die Arme gebunden.
Sieh, der Lieblichste aus der Schar
Naht sich leise mit schwirrenden Schwingen,
Mit den Augen so quellenklar
Will er mir tief in die Seele dringen:
Schlafender, schau mir ins treue Gesicht,
Kannst du die eigene Schrift nicht lesen:
Schlafender, kennst du mich wirklich nicht,
Bin ich kein Kind deiner Träume gewesen?
Trank ich mit dir nicht den Märchenborn,
Der im Land deiner Kindheit entsprungen;
Blies ich nicht hell in das silberne Horn,
Dem deiner Jugend Lieder entklungen?
Hat mich dein weckender Kuß nicht belebt,
Als ich versteckt unter Blüten gelegen;
Hast du mir selbst nicht die Flügel gewebt,
Die mich getragen auf Wolkenwegen;
Schmückt meinen Gürtel je andere Zier,
Als ich aus deinen Händen bekommen,
Bin ich nicht selber ein Teil von dir,
Dem nur der Staub der Erde genommen?
Sieh, ein Gruß an das ewige Licht
War ich dein heimliches Sehen und Suchen.
Schlafender, ach du wirst doch nicht
Deine eigenen Kinder verfluchen?
Wenn sie den Kerker dir erdenwärts
Endlich senken, verzagender Blinder,
Glaube, an dein unsterbliches Herz
Fliegen dir deine unsterblichen Kinder.
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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