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Aus Traum und Tanz
162 Bücher



Rudolf Presber
Aus Traum und Tanz . 1. Auflage 1908



Einst am Vesuv

Ich sah dich heut' im Traum - So manchen Jahrs
Pflichtschwere Tage ließ ich kommen, wandern,
Seit ich den dunklen Wellen deines Haars
Die Blüten griff von roten Oleandern;
Seit ich den Namen, den kein Deutscher nennt,
Wie einer Göttin Namen ausgesprochen
Und auf den steilen Klippen von Sorrent
Orangen aus den Zweigen dir gebrochen.

Am kleinen Haus, drin Tassos Wiege stand,
Erfüllte heißer Rosenduft die Lüfte,
Und in dem blumenbunten Gärtchen fand
Mein scheuer Arm den Weg um deine Hüfte -
Ein Schrecken halb und halb ein Jubelruf
Erstarb in Küssen zwischen dem Gemäuer:
"Ich bin geboren, Fremder, am Vesuv
Und trag im Herzen Feuer seiner Feuer!"

Von allem, was Erinnrung mir erneut
In glücklich dunklen, hoffnungsarmen Tagen,
Hab' ich den einen Frühling nie bereut,
Da ich den Arm um deinen Leib geschlagen;
Da wir, von reinster Sterne Licht erhellt,
Die junge Brust in zärtlichen Gedanken,
Still wanderten am schönsten Golf der Welt,
Wo wilde Rosen um die Felsen ranken.

Die weiße Straße nach Pompeji fuhr
Uns das Kaleschchen oftmals längs dem Meere;
Und in der stillen Stadt der Toten schwur
Ich dir - du mir - - Und ihre goldnen Speere
Warf rings die Sonne lachend in das Land,
Wo ihr die Vignien grün die Wege sperrten;
Und schillernd auf bemalter Tempelwand
Umhuschten unsre Liebe die Lazerten.

Wie weit, wie weit doch jener Frühling liegt
Mit seinen Liedern, Gärten, Prozessionen:
Mich hat das Leben, hat die Pflicht besiegt,
Wie alle, die im kühlen Norden wohnen.
Und du - - Trägst du wohl noch als Festtagszier
Das kleine Kreuzchen matter Meerkorallen,
Das in Neapels Via Roma dir
Am Abschiedsmorgen noch so gut gefallen?

Ich sah dich heut im Traum ... Ein Leidenszug
Den feinen blassen Lippen eingeschrieben;
Die dunklen Augen, einst so keck und klug,
Von schlummerlosen Nächten wundgerieben;
Ums Kruzifix die Hände müd und schlicht,
Im Wind die Fetzen deines Festgewandes,
Und, ach, in deinem zuckenden Gesicht
Der ganze wilde Jammer deines Landes.

Und reglos lag ich, aller Kraft beraubt,
Im Dunkel lauschend fernen Donnerschlägen;
Mir war's, als säh' ich ein geliebtes Haupt
Bedroht vom Steinschlag und vom Aschenregen;
Als hört' ich wohlbekannter Stimme Ruf,
Durchdringend die Gebete frommer Knaben:
"Madonna hilf! ... Geliebter, der Vesuv
Will deiner Lenze herrlichsten begraben!"


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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