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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Fasching
Mädel, komm, du sollst was lernen!
Schlittenschimmel scharren drauß';
Und beim Scheine der Laternen
Schleichen wir uns aus dem Haus.
Freu dich meiner Vorbereitung:
Seidne Röckchen, spitzer Hut -
Und nun schlüpf in die Verkleidung,
Nimm den Arm und habe Mut!
Streiche dir die Feiermiene
Mit den ros'gen Händchen glatt,
Denn heut bist du Kolombine,
Die die Welt gepachtet hat.
Ach, versiegelt innewendig
Lag die heiße Sündenlust.
Pfui, wie waren wir verständig,
Denn wir haben halt gemußt.
Grämlich schielten um die Ecken
Nachbar rechts und Base links,
Und wir mußten scheu verstecken
Unsern Frohsinn schlechterdings.
Aber heut - die Fiedeln locken -
Horch, im Stadthaus wogt der Ball.
Mädel, tu nicht so erschrocken.
Heidi, heut ist Karneval!
Weg heut mit dem Schiebekarren
Der verdammten Tagesfron;
Heute, Mädel, sind wir Narren,
Unser Prinz sitzt auf dem Thron.
Und ich bin sein treuer Knappe,
Zechend üb' ich seine Pflicht,
Bis das Nasenbein aus Pappe
Mir errötet im Gesicht;
Bis ich mich mit Fürsten uze,
Wenn die fünfte Flasche knallt,
Und Geheime Räte duze,
Tief beseligt und verdrallt.
Sieh dort das Gesicht von Leder -
Ist das ein Philister nicht?
Rasch die bunte Pfauenfeder
In das grämliche Gesicht!
Siehst du dort den Nörgler stehen
Mit den Locken, ausgefranst?
Kindchen, nein, das muß ich sehen,
Wenn der Gauch Matchiche tanzt!
Und - verzeih mir's, liebe Kleine -
Dieser Anblick macht mich froh,
Schön geschwungne Mädchenbeine
So im farbigen Trikot.
Pritschen knarren, Schellen klingen,
Bum - ein spitzer Pfropfenknall.
Ach, von allen schönen Dingen
Heißt das schönste "Karneval" ...
Vor dem Fasten hat gegeben
Satan noch sein lustig Fest,
Eine Nacht, in die das Leben
Seine reifsten Trauben preßt.
Eine Nacht voll Leckerbissen,
Süßer Sünden heiße Schlacht;
Eine Nacht - na ja, wir wissen,
Liebe Kleine, welche Nacht! ...
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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