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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Herbstlicher Weg
Das ist ein Abschiednehmen
Im Garten der Natur,
Nun blühen die Chrysanthemen
Als letzte auf der Flur.
Sie grüßen mit den holden,
Zerfransten Köpfen mich,
Wie Mondlicht sanft und golden,
Das um die Kelche strich.
Nun strecken dürre Ruten
Die Hecken rings im Haag,
Die Sonne muß verbluten
So früh - so früh am Tag.
Vorbei das Säen, Mähen -
Die Weiden biegt der Sturm;
Die schieferschwarzen Krähen
Umwirbeln schon den Turm.
Verweht der frohe Glauben
An Lust und Sommertag,
Da tief in Rosenlauben
Das weiße Häuschen lag;
Da heiß, mit roten Wangen,
Wo hell die Sonne schien,
Mein blonder Schatz gegangen,
Das Schürzchen voll Jasmin.
Nun tapp' ich müder Späher
Den alten Weg bergan;
Es schreit der Eichelhäher
Schrill tückisch übern Tann.
Und unten in den Gründen,
Wo sich der Nebel blockt,
Will sich kein Licht entzünden,
Kein Lichtchen, das mich lockt.
Wo sind die frohen Brände,
Die aus dem Tal gelacht;
Wo sind die jungen Hände,
Die all das Licht entfacht?
Ob immer noch die Türe
So leicht im Angel geht ...?
Die Küsse und die Schwüre
Hat längst der Wind verweht.
O, Traum vom Paradiese,
So hell und frühlingsklar -
Wenn ich die Augen schließe,
Ist alles wie es war;
Doch schlag' ich auf die Lider
Und blick' ins kahle Land,
Fällt eine Träne nieder
Wie Herbsttau auf die Hand.
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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