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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Im Bilde
Schon glaubt' ich mich im Hafen,
Schon wähnt' ich mich in Ruh;
Mein Herz war eingeschlafen
Und schloß die Augen zu.
Kein Traum mehr wollt' ihm künden
Den Sturm aus totem Jahr,
Weil es so müd der Sünden
Und müd des Frühlings war.
Doch jetzt - wie soll das enden -
Zu neuer Glut entfacht,
In deinen jungen Händen
Ist es mir aufgewacht.
Die Narben böser Zeiten
Verlachend ohne Graun
Sehnt sich's in blaue Weiten
Und will den Frühling schaun.
Du blonde Einzig-Eine,
Versiegle meinen Mund -
Ein Ring drückt ohne Steine
Den zarten Finger wund;
Ein Ring von güldner Glätte,
Der viel vom Leid erzählt,
Als letztes Glied der Kette,
Die deine Jugend quält.
Ich saß bei deinem Gatten
Und schweigend haßt' ich ihn.
Der Abend spann die Schatten
Um Sessel und Kamin.
Wie kühl er doch erzählte,
Wie dacht' er doch gering -
Da grüßt mich ein Gemälde,
Das ihm zu Häupten hing.
Ich sah auf dunklem Bilde:
Nach hartem Ritt und Strauß
Trabt mit zerspelltem Schilde
Ein Ritter wund nach Haus.
Im Wamse Blut und Risse,
Die Stirn zerfetzt - und doch:
Er trägt der Liebsten Küsse
Auf blassen Lippen noch.
Ein Kaufherr reitet heiter
Mit Marktgewinn nach Haus
Und biegt dem wunden Reiter
Mit scheuem Lächeln aus;
Den Beutel unterm Hemde,
Weinfroh das Augenpaar -
Und ahnt nicht, wo der Fremde
Die Nacht zu Gaste war ...
Seit ich das Bild gesehen,
Verfolgt's mich immerfort:
So wird auch mir geschehen,
Wie jenem Ritter dort.
So werd' ich schweigend büßen
Die Flamme, die ich heg';
So wird dein Mann mich grüßen
Auf meinem letzten Weg.
Trunken von deinen Küssen,
So reit' ich in den Tod;
Und keiner soll es wissen,
Wer mir die Lippen bot.
Der Himmel lass' in Gnade
Mir alle Sinne klar,
Daß nie mein Mund verrate,
Wer meine Herrin war!
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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