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Aus Traum und Tanz
162 Bücher



Rudolf Presber
Aus Traum und Tanz . 1. Auflage 1908



Mathematisches

Von allem, was ich überstanden,
War Mathematik die größte Qual.
Die Gleichung mit zwei Unbekannten
War stets vor andern mir fatal.
Mit düstrem Nebelflor umhüllt mich
Auch die Analysis Euklids,
Mit höchster Wurschtigkeit erfüllt mich
Der Inhalt eines Rhomboids.
Und lockten draus die sommerhellen
Verliebten Tage zum Genuß,
Wie flucht' ich dann auf die Tabellen
Auf Tangens und auf Cosinus!

Und lehrt das Leben Ernstes, Weises,
Und stimmte milder mich die Zeit,
Die Radiuslänge eines Kreises
Erschien mir ohne Wichtigkeit.
Wer vollends finster sich zu quälen,
Wenn draus im Busch der Sprosser singt,
Die bunten Blumen erst zu zählen
Begehrt, die ihm der Frühling bringt,
Wer jedes Primelchen im Grase,
Eh's registriert, zu brechen scheut,
Dem lach' ich lustig an die Nase
Und pflücke sorglos, was mich freut.

Ich denk', sah ich beim Textgekrittel
Der Bibel die Gelehrten all,
Ein Zusatz fehlt noch dem Kapitel
Von unsrer Ahnen Sündenfall:
Als die verbotne Apfelnahrung
Zerstört den Paradiesestraum,
Hing die verfluchte Offenbarung
Der Zahl an dem Erkenntnisbaum.
Den ersten Menschen, die sich sonnten,
Erblühte herrlich Edens Strauß;
Doch als die Kerle rechnen konnten,
Trieb sie des Himmels Ärger aus.

Sie aber zeterten und flennten,
Als sie zur Flucht der Engel mahnt,
Als hätten sie der Dekadenten
Verwerflich Zahlenspiel geahnt;
Als hätten schaudernd sie's erfahren
Von peinlicher Vision gequält:
Daß einst in tausend, tausend Jahren
Ein Enkel gar die Küsse zählt,
Daß fern im Westen ein Verruchter
Durch des Euklides Kunst gewitzt
Einst über Listen frech gebuchter
Verliebter Stunden brütend sitzt.

O Edenskinder, die ihr küßtet,
Im Garten, drin die Schlange schlief,
Wenn ihr in euren Gräbern wüßtet,
Wie wir gesunken sind so tief!
Wie uns die Weisheit schließt hermetisch
Von Freuden ab, die euch geblüht,
Und unser Scharfsinn arithmetisch
Verscheucht die Träume im Gemüt.
Ihr wolltet nimmer euch entringen
Der Erde mitleidsvollem Schoß,
Wenn eure Hügel überklingen
Einst die Posaunen Jerichos.


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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