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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Memoiren
Ich träume mal so dann und wann
In diesem Maskentreiben:
Ich wär' ein sehr berühmter Mann
Und müßt' "Memoiren" schreiben.
Die Freunde hetzen Tag und Nacht:
"Du hast so viel erlebt, erdacht,
Trankst Wein mit lust'gen Weisen
Und lauschtest klugen Greisen;
Dich liebte manches blonde Weib -
Zum Donnerwetter, setz dich hin und schreib!
"Schreib was die Nachwelt tief erstaunt
Von längst vernarbten Wunden;
Schreib Worte, die dir zugeraunt
Die heißen, dunklen Stunden;
Reiß Masken ab und Kränze fort,
Sprich über den ein heftig Wort
Und spritze über jenen
Nachträglich ein paar Tränen;
Nenn wer's verdient hat einen Hund -
Zum Donnerwetter, nimm kein Blatt vor'n Mund!"
So legt' ich vor mich hin - im Traum! -
Papiere, fein geschnitten,
Da war für alles, alles Raum,
Was ich so jung gelitten.
Mit blonden Zöpfchen stieg's herauf
Und riß so blaue Augen auf.
Es zogen an den Ohren
Mich strenge Präzeptoren.
Die Mutter saß und seufzte schwer -
O Gott, o Gott, wie ist das lange her!
Und Pfade sah ich sich verwirrn
Und Wege ohne Ende -
Und spürte plötzlich auf der Stirn
Zwei liebe, kühle Hände.
Und alles, alles, was ich sah,
Das war so fern, das war so nah -
Blutlos und doch voll Leben,
Sah ich's vorüberschweben.
Das Lachen all, das Leid, die Qual,
Das alles, alles war ich selbst einmal!
Zypressenhain, Orangenwald -
Welch bunte Panoramen!
Und deutscher Winter, weiß und kalt,
Und sekterhitzte Damen;
Und Mädchenlachen, keck und spitz,
Und Männerbaß und Spötterwitz
Und Püffe in die Rippen
Und - zarte rote Lippen ...
Und die zerfetzten Banner wehn -
Die toten Tage wollen auferstehn.
O, zeige mir dein treu Gesicht,
Du Zeit voll Traum und Taten!
Ich mal' dich nicht, ich schreib' dich nicht
Und will dich nie verraten!
Ein Liebchen, das sich zu mir schlich,
So grüß' ich dich, so herz' ich dich;
Und niemand soll mir stehlen,
Was wir zwei uns erzählen.
Ein andrer mag ein Schwätzer sein -
Zum Donnerwetter, was ich lebt', bleibt mein!
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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