162 Bücher
|
Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Saisonbeginn
Nun schreit's von allen Litfaßsäulen
Im buntesten Reklamechor,
Nun rast den müden Droschkengäulen
Das neu geputzte Auto vor.
Nun blinken list'ger die Laternen
Im Nebeneingang, rot entfacht,
Und flirtend mit den ew'gen Sternen
Wankt der Provinzler durch die Nacht.
Nun tritt im meterhohen Kragen
Der Sänger vor die Lauscher hin,
Um etwas Blödes vorzutragen -
Saisonbeginn.
Nun geht die Kochfrau Hasen spicken,
Die Stütze rührt den Trüffelbrei,
Der Hausherr hört die Uhren ticken
Und gähnt und denkt: wär's bloß vorbei!
Nun schwenkt der Leutnant seine Beine,
Der Bratenbarde schwingt sein Glas,
Im tiefen Ausschnitt sitzt die Kleine
Und wartet - lieber Gott, auf was?
Nun rückt der Jean im Klub die Tische,
Nun malt um Wange sich und Kinn
Mühsam Frau Cohn die Jugendfrische -
Saisonbeginn.
Nun triezt der Otto Brahm den Hauptmann,
Daß er was Neues von sich läßt,
Und in der Schumannstraße staubt man
Den Shakespeare ab zum Siegesfest.
Nun freut sich diebisch der und jener,
Weil Halbe eine Schlacht verlor,
Nun führt im Zirkus die Trakehner
Ein dicker Kommissionsrat vor.
Nun wird ein neuer Sherlock drohen,
Und manches Schauspiel ohne Sinn
Läßt peinlich die Kritik verrohen -
Saisonbeginn.
Nun kommen Vettern an und bleiben
Drei Wochen als Logierbesuch,
Und bitterböse Menschen schreiben
Schon wieder mal ein Weihnachtsbuch.
Nun wird mich oft die Frage quälen:
Trägt denn die Höflich eignes Haar?
Und immerzu muß ich erzählen
Wo ich in diesem Sommer war.
Ein neuer Ausschank lockt die Leute,
Man war schon da, man geht noch hin,
Und nächstens macht er wieder Pleite -
Saisonbeginn.
Wie schön die Zeit, da um die Dampfer
Die Welle spritzt', die Möwen schrien.
Gebt her den Frack, er riecht nach Kampfer
Und bestenfalls nach Naphthalin.
Der weiße Schlips will gar nicht sitzen -
Wenn das ein gutes Ende nimmt, -
Man trägt nach oben jetzt die Spitzen,
Hat Felix Poppenberg bestimmt.
Warum hab' ich nicht abgeschrieben?
Verdammter Sklave, der ich bin,
Ich werd' mich wieder mal verlieben -
Saisonbeginn.
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
|
|