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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
San Francisco
In Sankt Franziskus' fleißiger Stadt
Der Mond vergoldet die Hügel;
Der Ozean liegt still und glatt
Wie der Nacht geschliffener Spiegel.
Schon zittert der Frühtau an jungem Geäst
In den Gärten, wie silberne Tränen.
Die letzten Feiernden kommen vom Fest
Mit leisem Singen und Gähnen.
Ein schlürfender Schritt noch, ein Lachen, ein Schrei
An dunklen, schlafenden Häusern vorbei, -
Ein Schlüssel klirrt - ein Wächtersignal - -
Im Osten färben die Wolken sich fahl.
Da plötzlich ein Beben die Mauern entlang,
Wie aus unterirdischen Gängen,
Als wollte ein Riese im Freiheitsdrang
Den Kerker der Erde sprengen.
Die Hügel wanken, es schüttert der Turm,
Die Quader tanzen und zittern,
Die Häuser schwanken wie Weiden im Sturm,
Und die klirrenden Scheiben splittern.
Eine streuende Fackel auf weitem Plan
Erhellt sie den tobenden Ozean,
Wie im Riesenkamin ein verlorenes Holz -
Des heil'gen Franziskus erlesener Stolz ...
Am Irrenhaus springen die Riegel auf,
Die geborstenen Tore knarren,
Und durch die Flammen wälzt sich ein Hauf'
Wild lachender, tanzender Narren.
Sie tummeln in Qual sich und Funkenspiel
In die Welt, die wilde, die fremde;
Und einer rast zum Hügelziel
Voran in flatterndem Hemde.
"Juhu, ihr Freunde, mir nach, mir nach!
Jetzt lös' ich euch, was ich so oft versprach:
Dort oben mein Thron unter feurigem Zelt -
Ich bin der Herr und der König der Welt."
Und, tief zu den Füßen die brennende Stadt,
Umkauern den König die Irren
Und trinken die gierigen Blicke satt
An der Funken Schwärmen und Schwirren.
"Nun holt mir das Szepter!" der Rasende spricht,
Und weckt mein Gemahl mir, die Holde;
Dort unten brennt unser Hochzeitslicht
Aus kalifornischem Golde.
Dort unten ruft mich der Weltengeist,
Dort unten wird meine Krone geschweißt,
Dort unten grüßt mich der Flammen Schein,
Dort unten stürzt unser Kerker ein!
"Ihr habt mir geglaubt, ihr habt mich erkannt,
Nun seht ihr's lohen und wettern;
Ich schwur' euch, es wird ein Weltenbrand
All meine Feinde zerschmettern;
Dann sollen die Lande euer sein,
Die ihr mit Füßen tretet;
Dann stürzen ihre Paläste ein
Und die Kirchen, darin sie gebetet.
Dann hört mich der Himmel, gehorcht mir das Meer-
Die Krone, so reicht mir die Krone her;
Und singt, ihr Getreuen, den Königspsalm ..!"
Da faßt ihn die Flamme, da sinkt er im Qualm.
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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