162 Bücher
|
Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Schon einmal
Aus Dunst und Nebel ferner Tage
Stieg mir ein liebes Bild empor -
Wir sprachen von der Frauenfrage,
Der Rat trug seine Weisheit vor.
Die Frau, so sprach er, sei entrechtet
Und sei ein Mensch, so gut wie wir;
Ihr ganzes Leben sei geknechtet,
Im Haus sei sie das Arbeitstier.
Man müsse alte Schuld bezahlen,
Der Tag des Rechtes bräche an,
Wenn zu der Urne bei den Wahlen
Das Weib erst schreite mit dem Mann ...
Die hübsche Rätin saß im Kreise,
So jung, das Blondhaar schlicht gestrählt,
Sah vor sich hin und lächelt leise:
"Ich hab' schon einmal - falsch gewählt."
Der Rat - er hört sich gerne reden -
Fährt fort: er sag' es frank und frei,
Töricht und herzlos nenn' er jeden,
Der hier nicht seiner Ansicht sei.
Gewiß, wenn er die Welt besehe,
Es gäbe Fraun für Politik
Recht unbegabt, doch kurze Ehe
Erziehe solch Geschöpf zum Glück.
Es müßt' der Mann zum Bildner taugen,
Durch Wissenschaft und Ernst gestählt ...
Ich lese in der Rätin Augen:
Ich hab' schon einmal falsch gewählt.
Und wenn sie rechte Tugend ziere,
Sei über Menschheit, Welt und Staat
Des Mannes Ansicht auch die ihre
In allen Dingen, sagt der Rat.
Es widerspräche guten Sitten
Ein Zank und Streit im eignen Haus.
Er mindstens würde sich's verbitten,
Und der Disput sei schleunigst aus.
Das seien Menschen zweiter Klasse,
Die sich zum ew'gen Krieg vermählt ...
Die kleine Frau rührt in der Tasse:
Ich hab' schon einmal falsch gewählt.
Und heimwärts ging ich mit den Gästen
Und über Mauern, grau und schwer,
Schickt rechts und links von grünen Ästen
Der Frühling seine Lockung her.
Da vorn die lauten Leute schwätzten
Und sahn das Blühen nicht im Land;
Wir schritten schweigend als die letzten -
Und zitternd hascht' ich ihre Hand.
Doch ihre Finger, ihre kleinen,
Entzog sie lächelnd, schmerzgequält,
Mit leisem Gegendruck den meinen:
"Ich hab' schon einmal falsch gewählt ..."
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
|
|