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Aus Traum und Tanz
162 Bücher



Rudolf Presber
Aus Traum und Tanz . 1. Auflage 1908



Traumbesuch

Im Traum ist eine Riesengestalt
Heut an mein Bett getreten,
Von tyrischem Seidenstoff umwallt,
Langbärtig wie die Propheten;
Am Stirnreif fürstlich ein Topas
Und Perlen, die ihm dienen;
Am Gürtel und am Schwertgriff saß
Ein Kranz von hellen Rubinen.

Doch seine Stirn so sorgenvoll,
Gefurcht von Haß und Hader;
Und an den braunen Schläfen schwoll
Heimlich im Zorn die Ader.
Die schlanke Rechte spielt' im Bart
Und zuckt' als wie im Grimme,
Und blitzend nach Tyrannenart
Das Aug', und stolz die Stimme.

So trat er dicht an meinen Pfühl,
Ich hab' ihn gut gesehen,
Ich fühlte seine Nähe kühl
Als wie aus Gräbern wehen.
Sein Kleinod warf so seltnen Schein,
Und aus des Kleides Falte
Ein weicher Duft von Spezerein
Des fernen Ostens wallte.

Er rührte mir die Schulter roh
Mit einer Herrengeste:
Ich bin der König Salomo -
Was liegst du faul im Neste!
Weißt du, was unrecht mir geschieht,
Dem Helden ferner Sage:
Sie rauben mir das Hohelied,
Das Kleinod meiner Tage!

Des Davids Sohn und Tischgenoß
Trug ich der Krone Bürde,
Und aus dem heil'gen Ölhorn floß
Auf meine Stirn die Würde.
Die Priester und die Krieger sahn
Voll Angst nach meinen Launen,
Und zitternd beugt' sich Kanaan
Beim Jubel der Posaunen.

Vor allen Königen trug mein Stolz
Das kostbarste Geschmeide;
Mein Fuß trat nur auf Sandelholz,
Mein Haupt lag nur auf Seide.
Ich baut' Jaweh aus Marmelstein
Und Gold das Haus der Gnade,
Und ruhmreich zog die Lade ein,
Die alte Bundeslade ...

Mein Haus verbrannt, zerstört mein Reich -
Such's doch auf deiner Karte!
Gestürzt Jehovas Tempel, gleich
Den Säulen der Astarte ...
Mein Stamm zerstreut, mein Volk geflohn,
Gefegt in alle Weiten -
Und meine ganze Größe Hohn
Im Windesspiel der Zeiten.

Und flog mein Staub im Wind davon,
Mein Ruhm ist nicht verklungen:
Ich hab' einst auf dem Libanon
Das "Hohelied" gesungen.
Und hat auch tausend, tausend Jahr
Der Erdenstern durchmessen:
Daß Salomo ein Dichter war,
Das sollt ihr nicht vergessen!

Denn der mir einst die Seele lieh,
Hat Weisheit mir gegeben:
Der Rhythmus und die Melodie
Darf Kön'ge überleben!
Als ich von Macht und Krone schied,
Ist nur der Leib verdorben,
Doch nehmt ihr mir das "Hohelied",
Dann bin ich erst gestorben!


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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