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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Und warum nicht
Ich war ein Zwerg, er war ein Riese,
Er hatt' ein Büchlein in der Hand,
Als ich auf einer Taunuswiese
Ein Bub von wenig Jahren stand.
Ich hatte Schaumkraut und Kamillen
Und Glockenblumen viel im Arm,
Er hatte funkelnde Pupillen
Und war ein preußischer Gendarm.
"Du darfst hier keine Blumen pflücken!"
Herrscht er mit zornigem Gesicht.
Ich maß ihn mit verblüfften Blicken -
Und warum nicht?
Als Schüler flog ich mit den Bienchen
Und Schmetterlingen Sonntags aus.
Ich hatt' ein reizendes Cousinchen,
Die wohnt' in einem Gartenhaus,
Es klang aus buntbeblütem Flieder
Der Finken lustig Schlagen her;
Wir lasen viel im Buch der Lieder
Und später - lasen wir nicht mehr.
Es spricht der Onkel ein verschmitztes
Und ernstes Wort von Sitt' und Pflicht,
Aus ihren Augen aber blitzt es:
Und warum nicht?
Ja warum nicht ...? An ihren warmen
Und jungen Lippen ward ich Mann
Und traf im Wandern mehr Gendarmen
Als muntere Cousinchen an.
Und wo die liebsten Wünsche lohten,
Zu nehmen jedes Hindernis,
Da grinst ein riesig Schild: Verboten!
Von langer Stange ganz gewiß.
So manches winkt und will sich schenken,
Der Paragraph bloß warnt und spricht:
Du würdest die Philister kränken.
Und warum nicht!
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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