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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Vom Paradiese
Ach, wo in grauen Tagen,
Den Helm in heißer Stirn,
Die Menschen sich zerschlagen
Die Knochen und das Hirn,
Das hat man längst ermittelt
Mit allem Drum und Dran,
Erschnüffelt und bekrittelt,
Wie's ausging und begann.
Man teilte aus an jeden,
Was ihm gebührt an Ruhm,
Und Steine mußten reden
Von totem Heldentum.
Und wo die Pharaonen,
In Spezerein verschnürt,
In Pyramiden thronen,
Das hat man aufgespürt.
Von schimmernden Palästen,
Versunken längst im Sand,
Hat man aus kargen Resten
Den "Bauplan" noch erkannt.
Hat Gräber aufgestoßen,
Versteckte Truhn geleert,
Und hat selbst Karl den Großen
In seinem Schlaf gestört.
Der Goten hoher Saalbau,
Die maurische Moschee,
Der alte Schweizer Pfahlbau,
Die Burg von Ninive -
Das alles liegt erschlossen
Und weist der Ahnen Spur;
Es hat sich drauf ergossen
Die Flut der Literatur.
Nur eins, das sich ergründen
Von keinem Forscher ließ,
Nur eins, das sie nicht finden -
Wo lag das Paradies?
Wo hat vor tausend Jahren
Der Garten reich geblüht,
Drin fromm die Tiger waren
Und Löwen von Gemüt;
Drin ohne Falsch die Affen
Und, ach, ein menschlich Paar
Noch ohne Arg und Waffen
Und ohne Kleider war;
Drin zwischen braven Rindern
Und Tauben, nestvermählt,
Der Herrgott seinen Kindern
Persönlich was erzählt?...
Wie soll ich Ärmster wissen,
Was nirgendwo gebucht,
Was emsig und beflissen
Umsonst der Enkel sucht,
Was nirgends klar beschrieben
Auf Mosis Pergament,
Und was, seit ausgetrieben
Der Adam, keiner kennt;
Was stets in Süd und Norden
Geäfft des Forschers Fahrt,
Und was ein Traum geworden
Und eine Redensart...?
Doch fragt mal Fritz und Lieschen
Und Hans und Grete fragt -
Es baut sein Paradieschen
Sich jeder unverzagt.
Nun spitzt ihr auf Verkündung,
Welch Eden ich wohl mein':
Nun, an der Euphratmündung
Wird's kaum gelegen sein;
Kein Tigris netzt die Gräser
Und sieht die Blumen blühn -
Es liegt weit zweckgemäßer
Und ... näher bei Berlin.
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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