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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Was tut's ...?
Der Herbststurm hat mit tollem Tosen
Die ganze Nacht das Haus geschreckt -
Frühmorgens trat ich zu den Rosen,
Die jung die Stämmchen aufgereckt.
Zerstört, entblättert, taubefeuchtet,
Lag sterbend mir in hohler Hand
Die schönste, die noch gestern leuchtet'
Wie eine Königin durchs Land.
Welk flog ihr Kleid in rauhen Lüften,
Ich sprach: "Du hast für mich geglüht" -
Und sie mit einem letzten Düften:
"Was tut's, mein Freund, ich hab' geblüht!"
Wie seltsam doch, mir huscht ein Schemen
Vergangner Tage grau vorbei:
Es war ein ernstes Abschiedsnehmen,
Und draußen lachte hell der Mai.
Ich hab' zwei kleine, kalte Hände
In der gekrampften Faust gespürt
Und wußte wohl: das ist das Ende,
Zu dem ein heißer Traum geführt.
Ich schwieg und stand beschämt, befangen;
Doch ihr aus gütigem Gemüt
Flog leis ein Lächeln um die Wangen:
"Was tut's, mein Freund, ich hab' geblüht!"
O heil'ge Flamme jener großen
Und reinen Liebe, die du strahlst
Den edlen Frau'n und edlen Rosen
Das leidgebrochene Antlitz malst,
Gieß auf die Neige meiner Tage
Dereinst im stillgewordenen Haus,
Auf alle Wunden, die ich trage,
Die Reinheit deiner Feuer aus;
Und jenem Feind, der ungebeten,
Sich mit der Sense mähend müht,
Laß lächelnd mich entgegentreten:
"Was tut's, mein Freund, ich hab' geblüht!"
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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