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Rudolf Presber
Aus
zwei Seelen . 1. Auflage 1914
Bei Stresa
Bei Stresa steht ein kleines Haus,
Sein Gärtchen drängt ans Seegestade -
Und blüht als wie ein Blütenstrauß
Durch Gottes und der Sonne Gnade.
Ich trat dem bunten Flore nah,
Dankbar zu lechzen Aug' und Nase -
Wie seltsam aber, was ich sah:
So Form wie Art der nächsten Vase!
Der Nelken wundervoll Gewirr,
Ein Farbenrausch, ein Duftgewebe
Entstieg - 'nem alten Nachtgeschirr
In Frühlingspracht, so wahr ich lebe!
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Jüngst las ich 'nen Gedichteband
Des Abends still beim Lampenscheine,
In dem ich manch ein Verslein fand
Von seltner Kraft, von schöner Reine.
Gebändigt war die üpp'ge Kraft
Zur Anmut; und aus hohen Sphären
Erklang ein Harfen zauberhaft,
Als ob's die Engel selber wären.
Als ich des Dichters Namen sucht',
Ergriffen auf dem ersten Blatte,
Fand ich - ein Bürschlein dort gebucht,
Das mir schon oft mißfallen hatte.
Das, ohne Würde und Manier,
Scheinbar vom Leben angeekelt,
Bei üblen Weibern, dünnem Bier
Sich durch die Nachtlokale rekelt.
Das, disziplinlos von Gebein,
Weltmüd' posiert die Langeweile ...
Der Kerl -? nicht möglich, dacht' ich, nein!
Und stutzte eine kleine Weile.
Der mich gelockt so wundervoll
Als wie mit zarten Himmelsgeigen,
Aus solchen Rüpels Herzen soll
Der Ton in stillen Stunden steigen?
Doch nein, mein Glaube ward nicht irr'
Ich will ihn lächelnd weiter hüten -
Ich denk' halt an das Nachtgeschirr
Zu Stresa, draus die Nelken blühten ...
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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