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Rudolf Presber
Aus
zwei Seelen . 1. Auflage 1914
Dem Unbekannten
Ich fand den Gott der Rache
In Tempeln aufgestellt:
Halb Übermensch, halb Drache
Und Herr der Unterwelt.
Ein Ungeheuer sehnig,
Idol der Barbarei -
Mich fröstelte ein wenig,
Und lächelnd ging ich vorbei.
Ich fand den Gott der Güte
In manchem lieben Haus;
Vor seinem Bild in Blüte
Ein holder Frühlingsstrauß,
Wie froher Dank ihn spendet
Beglückter Sieger nur,
Die Augen abgewendet
Der Qual der Kreatur.
Doch wie die Augen wachen
Und spähen himmelan,
Mir fehlt ein Gott, der lachen
Und schalkhaft lächeln kann.
Der allen, die da karren
Und bauen sonder Ruh',
Zunickt: "Ihr lieben Narren,
Warum, wofür, wozu?"
Der unter seinen Räten
Im Wolkenstuhle sitzt
Und alles führt an Drähten
Belustigt und gewitzt:
Geschwollne Kronenträger
Und Streberlein voll Tück'
Und all die Sonntagsjäger,
Die pirschen nach dem Glück.
Der lachend stets regiert hat
Und zwischen Weib und Mann
Komödien inszeniert hat,
Die keiner glauben kann.
Der düstern Interpreten
Zum Trotz will Tempel baun
Im Herzen der Poeten,
In Grübchen hübscher Frau'n.
Ich weiß mich ohne Reue
Und huld'ge ohne Spott,
Wenn ich mein Opfer streue
Dem "unbekannten Gott",
Der bietend seine Rechte,
Wenn mir zu wandern frommt,
Dort oben seinem Knechte
Vielleicht entgegenkommt.
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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