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Aus zwei Seelen
162 Bücher



Rudolf Presber
Aus zwei Seelen . 1. Auflage 1914



Der Totenschädel

Was je der Mensch erfand sich und besaß,
Vor seinen Gästen prunkend mit zu prahlen:
Der Venezianer wundervolles Glas
Und der Etrusker gottgeweihte Schalen;
Was je verborgen am geheimsten Platz
Vor plumper Gier der Feinde und Verbrecher:
Die Truhen aus der Nibelunge Schatz,
Des großen Alexander Freudenbecher -
Von all dem nichts vergleich' ich deinem Wert,
Du weiß' Gefäß aus längst verflossnen Tagen,
Das von der schaffenden Natur geehrt,
Die Wunder eines Menschenhirns zu tragen!

Sieh, hinter deiner blanken Knochen Schild
Sprüht' Feuer einst im Lieben und im Hassen;
Du warst einst ich. Du trugst das Spiegelbild
Der Welt, die meine Sehnsuchtsaugen fassen.
Du gabst den reichen Inhalt erst der Zeit,
Du fülltest Erd' und Luft mit deinen Träumen,
Du warst die Quelle aller Lieblichkeit,
Du warst Beseeler allen Weltenräumen;
Du erst gebarst Gebet und Dank und Spott;
Dein Willenswerk, wuchs Wahrheit und Legende;
Und ohne deine Träume war kein Gott
Und ohne dich - kein Anfang und kein Ende!

Längst ausgebrannt ist alles - Lieb und Zorn,
Und blicklos starrt dein Auge mir entgegen.
Nichts, nichts verrät mir, ob der Leidensdorn,
Ob goldner Reif um deine Stirn gelegen.
Ob eine Hölle, ob ein Paradies
Die Erde schien dem flüchtig Ausgesandten -
Leer, wie die Muschel, die ihr Tier verließ,
Ruhst du im Reigen dunkler Folianten.
Machtlos und kraftlos, doch - als ob du rings
Verachtetest den Tand wie Ungeziefer;
Uraltes Rätsel der Ägyptersphinx
Les' ich im Hochmutlächeln deiner Kiefer.

Ich steh' vor dir in vollem Sonnenstrahl,
Der aus dem Garten fällt durch junge Zweige,
Und sinn' und weiß: So grins' ich auch einmal,
Wenn ich den Becher leerte bis zur Neige.
So ruht mein Schädel, aller Kraft beraubt,
Befreit von seiner Träume Lust und Lasten,
Ein Todesmahner, fleischlos und bestaubt,
Den Nachgeborner Finger scheu betasten.
Und keiner kennt das Leben, das hier schied,
Und keiner weiß von seinem Glück und Siege,
Und keiner ahnt mehr, daß manch muntres Lied
Fromm, wie ein Kind, gelacht aus dieser Wiege ...


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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