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Rudolf Presber
Aus
zwei Seelen . 1. Auflage 1914
Die Hymne
Lieber Dichter, der Theater,
Lyrik bändigt und Roman -
Hören Sie: mein Schwiegervater,
Recht ein Lebensveteran,
Der begeht die goldne Feier
Seiner Hochzeit; und mit Schwung
Heißt es nun - vermittels Leier -
Weihn ihm eine "Huldigung".
Reden Sie recht herzbezwingend
Kernig, deutsch und urgesund,
Und das eine bitt' ich dringend:
Nehmen Sie kein Blatt vor 'n Mund!
Scheu'n Sie weder Kraft noch Spesen.
Sagen Sie dem alten Narrn,
Daß er stets ein Flapps gewesen
(Denn er hatte einen Sparrn);
Daß er mit den Jahren dicker
Ward, als jemals ein Prälat,
Weil er als ein filz'ger Knicker
Sich nur selbst ein Bene tat;
Daß vom Kopf ihm alle Haare
Stürmisches Vergnügen blies -
Sagen Sie dem Jubilare
Recht in schönen Versen dies!
Schildern Sie in muntern Worten:
Daß er, Stütze seiner Stadt,
Ein paar Titel sich und Orden
Allgemach "ersessen" hat.
Daß er nie ein Buch gelesen,
Heute noch nichts Gutes kann,
Und ein Saufaus stets gewesen -
Deuten Sie das zärtlich an.
Mit der Worte Blütenfrachten
Sei das alles hübsch garniert;
Denn Sie müssen stets beachten,
Daß der Alte "jubiliert".
Und vergessen sei das eine
Nicht: der brave Jubilar
Hatte reichlich krumme Beine
Schon, als er ein Knabe war.
Er verstand von allen Witzen
Pointen erst am andern Tag;
Und in Tertia blieb er sitzen,
Was man auch erwähnen mag.
Cello spielt er zum Erbarmen,
Dafür ißt er schrecklich viel -
Kurz, ein "Jubiläums-Carmen"
Fert'gen Sie in deutschem Stil!
In den Krieg zog er verdrossen,
Als er jung, nach Bürgerpflicht;
Und es ward auf ihn geschossen,
Doch man traf ihn leider nicht.
Seit der Zeit ist er dem Lärme
Patriot'scher Feiern hold,
Was Ihr tadelnd, doch mit Wärme
In den Versen melden sollt.
Wie ihn seine Gegner hießen,
Sagt das unerschrocken laut -
Ein paar kräftige Sottisen,
Und die "Hymne" ist gebaut!
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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