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Aus zwei Seelen
162 Bücher



Rudolf Presber
Aus zwei Seelen . 1. Auflage 1914



Die Tante sagt ...

Die Tante sitzt im Türkenschal
Mit einem Blick, 'nem bitterbösen,
Und raunzt und sagt: sie sei einmal
Ein wunderhübsches Kind gewesen.

Sie rückt die Haube sich zurecht,
Um die sich falsche Löckchen ballen,
Und sagt, das Haar sei tizian-echt
Bis zu der Taille ihr gefallen.

Wie Perlen reiht' sich Zahn an Zahn
Voreinst - sie lacht und zeigt die Plomben;
Mein Blick bricht sich mit Schaudern Bahn
Zu ihrer Kiefer Katakomben.

Den Gichtfuß auf den Schemel pflanzt
Behutsam sie mit meiner Hilfe
Und sagt: sie habe einst getanzt
- Besonders Walzer - wie 'ne Sylphe.

Von Kavalieren wild umdrängt,
Sei ihre Jugend hingeflossen:
Und einer habe sich erhängt
Für sie, und einer sich erschossen.

Ein Meister - einstens hoch bezahlt -
Hab' sie in Farben nachgedichtet,
Als Psyche hab' er sie gemalt,
Die Amors Schlummer scheu belichtet.

So hat sie vieles noch geschwätzt,
Erinnerungsreich im "Sichversenken" -
Und seh' ich schöne Kinder jetzt,
Muß ich an meine Tante denken.

Muß seufzen: ihr sitzt auch einmal,
Aus eurer Glanzzeit längst vertrieben,
In einem dicken Türkenschal,
Mit Opodeldok eingerieben.

Und faselt, wie ihr, lenzbesonnt,
Geführt am holden Narrenschnürchen,
Tanzfroh und schlank und tizianblond,
Die längst verstorbenen Kavalierchen.


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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