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Gedichte, Lyrik, Poesie

Aus zwei Seelen
162 Bücher



Rudolf Presber
Aus zwei Seelen . 1. Auflage 1914



Mein Wintersport

Nun hör'n Sie zu und werd'n Sie grob:
Ich laufe nicht Ski und fahre nicht Bob;
Ich habe mich nimmer hervorgetan
Auf kurvengesegneter Rodelbahn
Und ahne nicht, was mit den Rennen los
In Oberhof nächstens oder Davos.

Und starren die Seen blank und kalt,
Nicht mal einen Schlittschuh hab' ich geschnallt.
Ich hab' mir noch keine Zehen erfroren,
Bin noch im Besitze beider Ohren;
Und ziehe den Pelz wohl dann und wann,
Doch niemals einen Sweater an,
Um rotbenast, Schnee in den Haaren,
Vereiste Hügel hinabzufahren,
Mit einem Jauchzer, mit einem Hui -
Also Sie sagen: "Pfui!"

Und was ich in meiner Winterruh'
Nun eigentlich sinne, eigentlich tu' -?
Gott, abends sehn Sie mich zum Kamin
Ein Tischchen wohl an den Sessel ziehn.
Da liegt ein friedlich geschichteter Hauf'
Von roten und gelben Büchern drauf.
Nein, keine Detektivgeschichten!
Auch nichts von Novellchen oder Gedichten.
(Die schreib' ich mir im Sommer ja auch
So selber für den Hausgebrauch.)
Die Bücher zu meiner Abendfeier,
Die heißen - Baedeker oder Meyer,
Und jeder von beiden hat sich bewährt
Dem Herzen, das gerne südlich fährt,
Als seiner Träume Dragoman.

Und hinter den Alpen - da fang' ich an!
Da fahr' ich auf Karten so kreuz und quer.
O Gott! - und hier liegt das Mittelmeer!
Ganz blau schon auf der Karte - viel blauer
Ist's noch in Wahrheit. Ein seliger Schauer
Läuft über den Rücken. Hier an der Kante
Liegt Ospedaletti - hier Sestri Levante -
Hier grüßt der Hafen von Genua!
Hier gehen die Schiffe nach Korsika! ...

Die andern, je nun, die rutschen mitunter
Jetzt schneeiger Hügel Buckel hinunter;
Ich aber flitze - Sie mögen's rügen -
Über Brenner und Gotthard, Gemmi und Splügen.
Ich grüße die Etsch, ich winke dem Po,
Ich schaukle im plätschernden Kahn bei Salo,
Ich schweife - und Dante ist mein Geselle -
Von Vallombrosa zur Arnoquelle
Und raste - ganz ohne Bob und Ski -
Im Kreuzgang von Camaldoli.

Seliges Welt- und Sorgenvergessen!
Dunkel ragen die schlanken Zypressen,
Rosen klettern aus Felsenspalten,
Ihre schwebenden Schirme halten
Segnende Pinien drüberher;
Durch die Limonen leuchtet das Meer.
Ich sitze in blühnder Orangen Scheine
Und trinke piemontesische Weine
Aus schilfumflochtenen bauchigen Flaschen.
Viel Kupfer klappert mir schwer durch die Taschen.
Der Vino Rosso tut seine Pflicht -
Und das Herz wird leicht und das Herz wird licht ...

Sie stehen - in pelzgefütterten Taschen
Die Hände, die Knie in Wintergamaschen,
Im Arm den eisenspitzigen Stock,
Den Rucksack über dem Lodenrock -
Und lächeln mitleidig mich an - je nun:
Ein jeder steht halt in seinen Schuh'n;
Ein jeder hat sein eigenes Lachen;
Ein jeder muß seine Torheiten machen;
Ein jeder in sterblicher Menschen Lande
Hat eigenen Ruhm und eigene Schande.

Das ist meine Schande - ich sag' es offen -
Und ist auch mein heimlicher Herzenshort:
Auf einen kommenden Frühling hoffen,
Das ist mein ganzer Wintersport!


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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