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Rudolf Presber
Aus
zwei Seelen . 1. Auflage 1914
Nur ein Vogel
Vom Kalender, der den Lenzbeginn
Mir gezeigt mit Strichen, mit diskreten,
Bin ich eben, Lust und Lied im Sinn,
An den kleinen Käfig hingetreten.
Und da lag, der meine Freude war,
Bunter Bote aus dem Sonnenlande,
Mein geschwätziger Malaienstar
Kalt und steif, gebrochnen Augs im Sande.
Leise klagend klirrte das Metall,
Als ich ihn herausnahm aus den Stäben.
Nur ein Tier, ein kleiner Federball -
Und ein Teilchen doch von meinem Leben.
Lieber Gast war deiner Stimme Laut,
Kleiner Schwätzer, unter meinem Dache;
Namen wußt'st du, die mir wohl vertraut,
Und du lachtest, täuschend, wie ich lache.
Ließt Erinn'rung durch die Seele ziehn,
Ach, der ich nur trauernd mich entwöhne.
Von geliebten schlichten Melodien
Sangst du leicht und rein die ersten Töne.
Hast dir meine ernsten Stunden grad
Oft zu Sang und Plaudern auserlesen -
Lebe wohl, mein muntrer Kamerad,
Bist mir mehr, als du gewußt, gewesen!
Auf dein Gräbchen, kleiner Fremdling, neigt
Sich des nord'schen Gartens dunkle Föhre -
Und auch deine kleine Stimme schweigt
Nun bei Stimmen, die ich nie mehr höre.
Doch mir ist, als ob ein lieber Gast,
Freundlich du zu deines Herren Frommen
Mit dem Scheiden noch gezögert hast,
Bis vom Süd die bunten Brüder kommen;
Bis ihr Lenzlied mit dem Winde weht,
Übertönend meine stille Klage:
Daß ein kleiner Liebling von mir geht,
Der mir sang durch meine dunklen Tage ...
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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