Refugium

(Morcote am Luganer See)

Lockend mit fremden Schalmeien
Hat ein Traum mich erfreut:
Ferne dem deutschen Maien,
Sah ich ein Häuschen heut.
Still und weltvergessen
Lag es am schimmernden See;
Kerzengerade Zypressen
Prunkten in dunkler Livree;
Hüteten ernst den Garten,
All die keimende Saat,
Südliche Wächter, die warten,
Bis der Willkommene naht.

Von blühenden Schlinggewächsen
Rankt sich's rot um das Tor,
Grünlich schillernde Echsen
Huschen die Steine empor.
Marmorne Löwen baden
Trotzig am Ufer den Fuß;
Scharlachrote Granaten
Streuen den Willkommgruß.
Tief in den kleinen Hafen
Hängt die Weide den Zweig -
Alles hat hier geschlafen
In meinem südlichen Reich!

Alles will nun erwachen,
Leuchtend und frühlingsfromm
Stellt es die Ehrenwachen,
Wenn ich wiederkomm'.
Hoch um die Rosen gaukeln
Falter in Liebesnot,
Unten am Kettchen schaukeln
Hör' ich mein schlankes Boot.
Sprudelnd in welscher Suada
Grüßt mich der Steuermann;
"Una bella giornata!"
Jubelt die Kleine mich an...

Herrlich leuchtende Stunden
Schenkt euch der deutsche Mai;
Aber so still wie da unten,
Rauscht euch keine vorbei!
Aus bewimpelten Booten
Grüßt mich der Fahrenden Sang -
Oben schlafen die Toten
Unter dem blühenden Hang.
Und mein träumendes Sehnen
Zieht mit dem Ruderschlag,
Oder ist still bei jenen,
Ruhend im Feiertag ...


  Rudolf Presber . 1868 - 1935

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